Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
Vom Netzwerk:
hübsch und beliebt. Hübsche Mädchen konnten alles überstehen. Aber hübsche, beliebte Mädchen würden nie in Walters Pick-up steigen. Elizabeth hätte es nicht getan, wenn sie die Wahl gehabt hätte, und sie war nicht besonders hübsch oder beliebt. Trotzdem wäre ihr nicht eingefallen, sich zu einem Fremden ins Auto zu setzen.
    Andererseits könnte es auch so gewesen sein, dass Walter auf der Route 40 unterwegs war, es plötzlich anfing zu regnen und er ihr anbot, sie mitzunehmen. Unter solchen Umständen hatte sie sich auch einmal mitnehmen lassen. Der Mann hatte sie gefragt, wohin sie wollte, und sie hatte ihm aus Angst, ihre Eltern würden von der Fahrt etwas mitbekommen, nicht ihre Adresse gegeben, sondern gesagt, sie sei unterwegs zur Bowlingbahn, den Normandy Lanes, nur anderthalb Kilometer entfernt. Er hatte nachdenklich genickt und war in die richtige Richtung losgefahren, aber dann hatte er gemeint: »Es regnet zu stark. Ich warte, bis der Schauer vorbei ist. Sicher ist sicher.« Er war auf einen Parkplatz gefahren, hatte den Arm in ihre Richtung ausgestreckt und das Handschuhfach geöffnet, um eine kleine Kristallflasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit herauszuholen, von der er einen langen Schluck trank.
    »Beim Autofahren soll man nicht trinken«, hatte Elizabeth gesagt.
    »Man soll auch nicht per Anhalter fahren«, hatte er geantwortet, aber seine Worte klangen nicht bedrohlich. Er hatte noch einen Schluck getrunken und sich bei laufendem Motor einen Radiosender angehört, der Oldies spielte. Als der Regen nachließ, hatte er sie zur Bowlingbahn gebracht.
    Also war Elizabeth auch einmal zu einem fremden Mann ins Auto gestiegen. Aber hätte sie sich von Walter an einem hellen, warmen Augusttag mitnehmen lassen? Wahrscheinlich nicht. Warum hatte Maude das getan? Hatte sie sich überhaupt mitnehmen lassen, oder hatte Walter sie am Arm gepackt, so wie Elizabeth, und sie in das Auto gezerrt?
    Walter redete nicht oft über Maude, nur ganz nebenbei, als Warnung. Aber er gab gerne Kommentare über die Mädchen ab, die er sah. »Die könnte schon Spaß mit mir haben«, meinte er, wenn er ein Mädchen mit einer guten Figur sah. »Ich weiß, was ich mache. Diese Mädchen verkaufen sich unter Wert, sie begreifen nicht, was die Welt ihnen zu bieten hat. Die träumen nur von Filmstars.«
    Und jetzt redete er so über Maureen, mit lauter scheußlichen Details, aber so nüchtern, als würde er von einem Einkauf im Supermarkt sprechen. Was zuerst wohin wandern würde: sein Mund an ihre Halsgrube, seine Zunge in ihr Ohr, dann seine Finger … Hör doch bitte auf , dachte Elizabeth verzweifelt und versuchte, seine Stimme auszublenden, aber Walter beschrieb weiter Schritt für Schritt. Es schien nicht einmal ihn selbst anzumachen. Er klang, als würde er auswendig gelernte Anweisungen herunterbeten, wie eine Verführungsszene aus einem Liebesroman, die ein Roboter vorlas, reduziert auf einen Lageplan, der ihm sagte, wann was wo sein sollte.
    »Sie würde richtig darum betteln«, fuhr er fort. »Aber ich würde sie warten lassen. Eine Frau wie Maureen muss man erst mal klein machen. Genau das will das Buch erklären. Frauen müssen warten. Das sagt schon ihre Anatomie. Sie warten, sie empfangen. Männer sind aktiv, Männer geben.«
    Elizabeth hatte das Buch beinahe genauso oft gelesen wie Walter – schließlich hatten sie im Auto oder in den Motelzimmern keine andere Lektüre, abgesehen von einer Ausgabe des Paten , die sie bei einem Garagenflohmarkt hatte kaufen dürfen –, und sie glaubte nicht, dass das die Aussage war, so scheußlich das Buch auch sein mochte. Aber sie war zu klug, um ihm zu widersprechen.
    »Sieh mal das Mädchen da drüben«, sagte Walter plötzlich und fuhr langsamer. »Die hat ja ein richtiges Strahlen an sich.«

Kapitel 19
    Abends, als die Kinder schliefen – besser gesagt, als Albie schlief, Iso verschickte wahrscheinlich unter ihrer Bettdecke SMS mit dem unzulänglichen Handy, das ihre Eltern ihr geschenkt hatten –, erzählte Eliza Peter von dem zweiten Brief. Sie wünschte, sie hätte ihn nicht geschreddert, dann hätte Peter ihn selbst lesen können, und sie hätte sich das Erzählen erspart. Er hörte kommentarlos zu, hob aber die Augenbrauen bei einigen eigenartigen Formulierungen, die sie noch nennen konnte. Dienstältester im Todestrakt. In Virginia herrschen drakonische Gesetze. Ich will dich damit nicht langweilen. Eliza wurde klar, dass sie den Brief nahezu Wort für

Weitere Kostenlose Bücher