Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Wort auswendig kannte.
»Was willst du machen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Eliza. »Ich habe plötzlich das Gefühl, ich hätte die Sache nicht mehr unter Kontrolle. Diese Frau – oder Walter – könnte sich jederzeit an die Medien wenden, könnte ihnen mitteilen, wer ich bin und wo ich wohne.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine verantwortungsbewusste Zeitung über dich schreiben würde, wenn du nicht mit ihr zusammenarbeiten willst«, sagte Peter. Er wollte ihr nicht widersprechen, er wollte die Sache nur begreifen und jeden Aspekt berücksichtigen.
»Leider sind eine Menge Zeitungen alles andere als verantwortungsbewusst. Und wenn sie Jared Garrett gefunden hat? Ist dir klar, wie ungeschützt wir dastehen, wir alle?«
Sie zeigte ihm, was passierte, wenn sie ihre Adresse bei Google Maps eingab und sich weiter zu Street View klickte. Ihr Haus war zu sehen. Das war natürlich nichts Neues für Peter, der seine Karriere als Journalist nicht zuletzt dem problemlosen Umgang mit Computerrecherchen zu verdanken hatte. Trotzdem merkte sie, dass der Anblick ihn ebenso fesselte wie sie. Als Eliza das Foto des weißen Backsteinhauses betrachtete, komplett mit klassischem Gartenzaun, stellte sie sich dazu unwillkürlich die pulsierende Musik aus einem Horrorfilm vor. Barbara LaFortuny hatte dieses Haus gesehen, sie war daran vorbeigefahren und hatte Walter – ja, was hatte sie ihm erzählt? Jede Kleinigkeit war schon zu viel. Wahrscheinlich stellte die Frau eine Akte über Peter zusammen, dem man von allen im Haus am leichtesten folgen konnte, weil er in der Öffentlichkeit die tiefsten Spuren hinterlassen hatte. Aber würde sie es dabei belassen? Was, wenn sie bei einem von Isos Fußballspielen am Spielfeldrand auftauchte? Oder Eliza und Albie auf dem Weg zur Schule folgte, seine Fantasie anregte und ihn auf alle möglichen Fragen brachte? Wer ist die Frau? Warum will sie mit dir reden? Woher hat sie die Narbe im Gesicht? Was, wenn Barbara LaFortuny sich mit Reba anfreundete und sie durch den Zaun mit Leckerchen fütterte? Wenn sie Reba vergiftete, weil die Hündin sie angeknurrt hatte? Würde sie …
Ein allzu vertrauter Kinderschrei gellte durch die Nacht.
»Albie«, rief Eliza, um ihn wissen zu lassen, dass sie kam.
»Albie«, wiederholte Peter. »Ich hatte gehofft, das hätten wir hinter uns.«
Das hatte ich auch gehofft , dachte Eliza, während sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauflief. Und nicht nur das.
Albies Alpträume hatten kurz nach ihrem Umzug nach London angefangen. Sämtliche Kinderärzte und Bücher sagten Eliza, nach einer großen Veränderung seien Alpträume normal bei einem Kind, aber Albies Alpträume kamen Eliza ungewöhnlich vor. Zum einen waren sie unglaublich detailliert, so voll starker Bilder und überraschender Wendungen, dass es ihr beinahe in den Fingern juckte, sie aufzuschreiben. Es war auch spannend zu sehen, wie sein Unterbewusstsein harmlose Dinge vom Tage umformte. Ein Buch wie In der Nachtküche , das Eliza extrem unheimlich fand, berührte Albie überhaupt nicht. Dafür tauchten andere, eigentlich harmlose Figuren auf. Taps, dem Tolpatsch, einem kleinen Hund, stand Schaum vor dem Maul. (Dafür gab sie Peter die Schuld, weil er den Kindern Wer die Nachtigall stört gezeigt hatte.) Madeline, das sonst reizende Mädchen aus Paris, entpuppte sich als Hexe, die Leute kniff und dann alles abstritt. Und nur selten entkam Peter Hase Herrn Gregors Mistgabel. Dieser Traum war immer wiedergekehrt, seit Eliza in einem Londoner Restaurant, das sie besonders mochten, vor Albies Augen ein Hasengericht gegessen hatte.
Das Auffallendste an Albies Alpträumen aber war die Tatsache, dass Iso meist darin mitspielte, und immer schwebte sie in Gefahr. An diesem Abend erzählte er zwischen heftigen Schluchzern und kleinen Schlucken Wasser eine erschreckende Geschichte. Die Familie hatte eine neue Bäckerei besucht, und Iso wollte ihre Brille nicht aufsetzen, die sie im wahren Leben auch nicht brauchte. (Eliza und Peter warfen sich über Albies Kopf hinweg einen Blick zu; dieses Detail kannten sie aus dem Film Die Brady Family , den Albie abgöttisch liebte. Für ihn war das keine witzige, augenzwinkernde Komödie, sondern ein echter Appell, das Leben voll auszukosten und nicht darauf zu achten, was andere für cool hielten. Wenn man ab und an ein Lied schmetterte, mit Autodieben plauderte und zu jedem nett war, würde man am Ende gewinnen.) Iso verschwand,
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