Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
offenbar großartig, weise und tiefgründig, und zum Teil interessierte es Elizabeth tatsächlich. Das Buch riet Frauen, sie sollten zu einer »natürlicheren« Beziehung zu Männern zurückkehren, ihre »angeborene Sanftheit« pflegen und akzeptieren, dass Männer rau und ein wenig wild waren. Außerdem sollten Frauen sich klarmachen, dass die besten Männer diejenigen waren, die für sie sorgten – nicht finanziell, sondern emotional. Sie sollten Männer nicht nach Äußerlichkeiten wie Kleidung oder Aussehen beurteilen, sondern sich Männer suchen, die nett waren und sie unterstützten.
»Das ist das Problem«, sagte Walter. »Genau das mache ich, aber es hilft nicht. Kein bisschen.«
Elizabeth überlegte, was mit »natürlich sein« gemeint war. Hieß das, man sollte sich nicht die Beine rasieren und sich nicht die Haare föhnen und frisieren? Ihre Mutter trug ihr Haar lang und offen, aber die Beine rasierte sie sich. Elizabeth hatte sich die Beine nicht mehr rasieren können, seit Walter sie entführt hatte, und jetzt waren sie mit einem weichen Flaum bedeckt. Sie hätte ihre Beine niemandem zeigen wollen, aber sie mochte, wie sie sich anfühlten. Nachts allein im Bett oder in einem Schlafsack strich sie sich über die Beine oder befühlte ihre Achseln. Vielleicht verwandelte sie sich ja in etwas Neuartiges, Gewaltiges, in ein Tier, das gegen Walter kämpfen oder von ihm weglaufen konnte, flink und behände.
Aber sie würde nicht entkommen. Niemals.
Walter wurde das Buch wichtiger als die Geschichten, die Elizabeth erzählte, und manchmal bat er sie, während der Fahrt daraus vorzulesen. Besonders gut gefiel ihm das Kapitel über eine gefühlskalte, ehrgeizige Geschäftsfrau, die glaubte, sie würde jemanden suchen, der genauso war wie sie.
»Maureen, 29, hat scheinbar alles, was man sich wünschen kann«, las Elizabeth vor. »Die schlanke, brünette Frau arbeitet für eine große Kaufhauskette in Texas in einem Team für Expansion. Tagsüber trägt sie maßgeschneiderte Anzüge, ihr glattes braunes Haar kämmt sie zu einem Chignon …«
»Was ist das?«, fragte Walter. »Ein Schien-jong?«
»So was wie ein Dutt, nur schicker«, antwortete Elizabeth. Sie strich ihre eigenen kurzen Locken zurück, die sich nicht mehr frisieren ließen. »Das schreibt man C-h-i-g-n-o-n.« Wenn Walter diesen Abschnitt später lesen würde – den Teil, den sie tagsüber schaffte, las er immer noch einmal –, würde er sie vielleicht fragen, warum sie ihm ein falsches Wort genannt hatte.
»Na gut. Les weiter.«
Sie hatte die Stelle verloren und fand sie erst nach einem Moment wieder. »Abends lässt sie es sich locker auf die Schultern fallen, wenn sie in den Clubs und Bars von Dallas nach einem Mann sucht. Sie glaubt, sie wüsste genau, was sie will – einen karrierebewussten Mann, der ihr mindestens ebenbürtig ist, und die K.-o.-Kriterien kann sie jederzeit aufzählen. ›Kein Muttersöhnchen, das noch zu Hause wohnt.‹«
»Man ist doch kein Muttersöhnchen, nur weil man zu Hause wohnt«, warf Walter ein.
»›Kein Muttersöhnchen, das noch zu Hause wohnt. Keinen Dicken. Eine Glatze ist in Ordnung, wenn er wirklich gut aussieht und fit ist. Kurz gesagt – keinen Verlierer.‹ Trotz ihrer genauen Vorstellungen und ihrer gezielten Suche findet Maureen einfach nicht den richtigen Mann. Sie trifft zwar erfolgreiche Männer mit gutem Einkommen und gestähltem Körper, aber sie wird immer von ihnen enttäuscht, weil sie ihrer natürlichen Weiblichkeit nicht treu geblieben ist. Sie will eine Jägerin sein. Sie hat die natürliche Ordnung verletzt und wird nie den richtigen Mann finden, wenn sie nicht lernt, sich zurückzulehnen, zu entspannen und zu warten, bis er sie findet.«
Das brachte Elizabeth zum Grübeln. Ihre Heldin Madonna trug einen Gürtel mit der Aufschrift »Boy Toy«, dabei war es eindeutig andersherum, sie spielte mit den Jungs, benutzte sie und machte Schluss. Seit letzten Winter Susan … verzweifelt gesucht angelaufen war, hatte Elizabeth den Film viermal gesehen, und mit dem Ende war sie immer noch nicht glücklich. Rosanna Arquette war schon süß – süß genug, dass ihr Freund, ein Rockstar, ein Lied über sie geschrieben hatte –, aber es war doch komisch, dass sie am Ende mit dem richtig gut aussehenden Typen zusammen war, während Madonna den nicht so tollen bekam, den mit der Stachelfrisur. Und ganz am Anfang des Films hatte Madonna mit einem anderen Mann im Bett gelegen, also war es mit dem
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