Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
musste sie mit wachsender Frustration zusehen, wie ihr Schützling das Essen auf dem Teller hin und her schob, und sie schämte sich beinahe, weil es ihr selbst so gut schmeckte.
»Es tut mir Leid«, sagte Fanny schließlich. »Sie haben schon so viel für mich getan – Sie dürfen nicht denken, dass ich das nicht zu schätzen weiß. Es liegt ganz bestimmt nicht an Ihren Kochkünsten, das schwöre ich. Es ist nur – ich kann einfach nicht …«
»Machen Sie sich wegen mir keine Gedanken.« Winnie stand auf und tätschelte ihr die Schulter. »Ich spüle jetzt schnell ab, und dann gibt’s Tee und ein paar Kekse. Und außerdem« – sie griff in die Tasche, die sie mitgebracht hatte – »dachte ich mir, wir könnten uns vielleicht zusammen einen Film anschauen.«
Sie hatte eine kleine Sammlung, die sie als ihre »Notapotheke für kranke Seelen« zu bezeichnen pflegte. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass Gebete zwar durchaus ihren Platz hatten, dass aber nichts so heilsam für ein bedrücktes Gemüt war wie herzhaftes Lachen. Für heute Abend hatte sie zwei ihrer persönlichen Lieblingsfilme ausgesucht, Ein Fisch namens Wanda und Lang lebe Ned Devine , und dazu noch ein paar alte Folgen von Fawlty Towers. Alles Vertreter eines ziemlich respekt- und pietätlosen Humors, aber Respekt und Pietät waren in ihren Augen stark überschätzte Tugenden – sie selbst hatte sogar ein heimliches Faible für die klerikalen Absurditäten der Fernsehserie Father Ted.
»Ach, Winnie.« Fanny schien in ihrem Rollstuhl zusammenzusinken. »Ich glaube, das ist mir jetzt zu viel. Können wir nicht einfach nur Tee trinken und … reden?«
»Aber natürlich. Ich helfe Ihnen nur rasch, sich für die Nacht fertig zu machen, ja?«
Im Nu hatte Winnie den Abwasch erledigt. Nachdem sie den Wasserkocher eingeschaltet hatte, drehte sie sich zu Fanny um und sah, wie sie die Videos durchsah, die Winnie auf dem Tisch liegen gelassen hatte.
»Elaine hätte sich so etwas nie angeschaut«, sagte Fanny und blickte zu Winnie auf. »Und meine Eltern auch nicht. Ich weiß noch, wie meine Mutter Fawlty Towers verabscheut hat, als ich ein Kind war. Es gibt nichts Schlimmeres für Chinesen als Unhöf lichkeit und unflätige Ausdrücke, und in ihren Augen war Basil Fawlty der Teufel in Person. › Dieser schreckliche Mann ‹ hat sie ihn immer genannt.«
Winnie schenkte den Tee ein und setzte sich an den Tisch. »Ich wette, Sie haben es sich trotzdem angeschaut – heimlich.«
»Stimmt – so oft es ging.« Fanny grinste verschmitzt, als sie daran zurückdachte, und Winnie wurde plötzlich bewusst, dass sie zum allerersten Mal ein echtes Lächeln auf den Lippen der jungen Frau erblickte. Die Wirkung war verblüffend. »Und ich hatte natürlich Angst, erwischt zu werden«, fuhr Fanny fort. »Das ist wahrscheinlich das Schlimmste, was ich je angestellt habe. Sie hatten solch hohe Erwartungen, meine Eltern, und ich wollte sie nie enttäuschen.«
»Und Elaine?«, fragte Winnie, die verstörende Parallelen zwischen Fannys Elternhaus und ihrer Beziehung zu Elaine Holland zu erkennen begann. »Was hat sie sich gerne angeschaut?«
»Ach, nur ernste Sachen. Ab und zu einen alten Film. Ich wollte mich ja nicht beschweren. Sie …«
»Was?«, hakte Winnie nach, als Fanny nicht weitersprach.
»Sie – sie konnte sehr unfreundlich werden.« Fanny starrte in ihre Teetasse, als wollte sie Winnies Blick ausweichen.
Winnie verharrte reglos und wog ihre Worte sorgfältig ab: »Unfreundlich – auf welche Weise?«
»Ach …« Quinn, der Kater, kam durch die Katzentür hereinspaziert und sprang auf Fannys Schoß, wo er sich erst mal im Kreis drehte und ein gemütliches Plätzchen suchte. »Sie – sie sagte dann immer, ich könne froh sein, dass ich sie hätte … niemand außer ihr würde mich am Hals haben wollen, in meinem Zustand.« Fanny streichelte dem Kater den Rücken, worauf er behaglich schnurrend mit dem Kopf gegen ihre Schulter stieß. »Sie sagte, ich würde nie wieder gesund werden, und dass ich mir nur selbst etwas vormachte. Aber das war nur, wenn sie einen besonders schlechten Tag gehabt hatte, und ich dachte mir, es ist schon in Ordnung, weil sie es doch schließlich auch nicht leicht gehabt hat im Leben.«
Winnie sah, dass die Knöchel der Hand, mit der sie ihre Tasse umfasst hielt, weiß geworden waren. »Wie meinen Sie das – sie hat es nicht leicht gehabt?«
»Ich hatte immerhin Eltern, die sich um mich gekümmert haben. Ich meine, sie
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