Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
Hälfte des Raumes ein, während der Restaurantbereich zur Linken mit halb zugezogenen Samtvorhängen abgetrennt war. Ein Ober führte sie zu einem kleinen Tisch im hinteren Teil des Lokals und reichte ihnen die laminierten Speisekarten.
Nachdem sie bestellt hatten – Gemma entschied sich für Schellfisch mit Gemüse, Winnie für die Pastete mit Hühnerfleisch und Pilzen -, lehnten sie sich mit ihren Getränken zurück. »Also, eins nach dem anderen«, sagte Gemma, während sie eine Scheibe des knusprigen braunen Brots mit frischer, heller Butter bestrich. »Wie geht es Jack? Kommt er dieses Wochenende nach London?«
»Eher nicht, fürchte ich. Dieser Auftrag in Bristol nimmt ihn voll in Anspruch. Kann sein, dass er gar nicht mehr kommen kann, bis alles erledigt ist.«
»Kannst du ihn denn nicht besuchen?«
»Ich habe nur einen Tag in der Woche frei – das reicht nicht, um nach Glastonbury und zurück zu fahren. Und selbst an diesem einen Tag kann irgendetwas dazwischenkommen.«
»Klingt ein bisschen wie Polizeidienst«, meinte Gemma bedauernd. »Wie gut, dass du dir einen so verständnisvollen Mann ausgesucht hast.«
»Ja, nicht wahr?«, stimmte Winnie zu und nahm einen Schluck von dem kleinen Glas Pinot Grigio, das sie zu ihrem Essen bestellt hatte. »Obwohl ich mich manchmal frage, ob ich nicht die Arbeit und die Beziehung mit besserem Gewissen unter einen Hut bringen könnte, wenn er nicht so verständnisvoll wäre. Und wie geht’s Duncan und den Jungen? Irgendwas Neues in Sachen Eugenia?«
»Die erste Anhörung ist für nächste Woche angesetzt.« Als ob ihre familiäre Situation noch nicht kompliziert genug gewesen
wäre, hatte Kits Großmutter mütterlicherseits, Eugenia Potts, auf Zuerkennung des Sorgerechts für den Dreizehnjährigen geklagt. Nachdem Kits erziehungsberechtigter Stiefvater Ian McClellan nach Kanada ausgewandert war, hatte er Kit erlaubt, bei Duncan, seinem leiblichen Vater, und Gemma zu wohnen.
Eugenia jedoch schien Duncan die Schuld am Tod ihrer Tochter zu geben und die Vorstellung nicht ertragen zu können, dass ihr Enkel bei seinem Vater glücklich war. Und obwohl Kit seine Großmutter nicht ausstehen konnte, war er nicht bereit gewesen, den DNA-Test über sich ergehen zu lassen, der Duncans Vaterschaft zweifelsfrei beweisen und damit die rechtliche Situation hätte klären können.
Kits Weigerung in der Frage des Tests bedeutete, dass Duncan und Gemma wohl oder übel auf das Verständnis des Familiengerichts angewiesen waren; sie mussten einfach hoffen, dass die Richterin Kit als alt und reif genug einschätzen würde, um selbst zu entscheiden, wo und mit wem er leben wollte. Das war alles sehr beunruhigend, und seit Eugenia im Mai ihre Klage eingereicht hatte, hatten die Nerven im Hause Kincaid /James oft blank gelegen.
»Wir hatten für morgen einen Ausflug zum Portobello Market geplant, um nach ein paar Sachen für Kit zu schauen«, erzählte Gemma Winnie und musste feststellen, dass sie über Gefühle redete, die sie bisher noch gar nicht recht in Worte gefasst hatte. »Ich dachte wirklich, dass wir alle zusammen hingehen sollten, als Familie – um Kit zu versichern, dass wir zusammenhalten werden, was immer passiert … Aber Duncan kann nicht mitkommen …«
»Die Arbeit?«
Gemma nickte. »Ein neuer Fall. Übrigens zufällig hier in Southwark.«
»Ich würde mir wegen eures Ausflugs keine Gedanken machen«, sagte Winnie. »Kit weiß doch, dass er sich voll und ganz auf euch verlassen kann, und das Letzte, was er in dieser Situation
gebrauchen kann, ist das Gefühl, dass irgendetwas zwischen dir und Duncan steht.«
»Da hast du sicher Recht«, gab Gemma zu. »Es sind wohl nur meine Nerven. Ich kann mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass wir uns dort als Musterfamilie präsentieren sollen. Was ist, wenn wir die Erwartungen nicht erfüllen?«
»Ihr erfüllt sämtliche Erwartungen, wenn es um Kit geht, und das ist doch gewiss das Einzige, was zählt.« Winnie nahm sich auch eine Scheibe Brot und bestrich sie mit Butter. »Was ist denn mit deiner Freundin Hazel? Die wäre doch bestimmt bereit, in eurem Sinne auszusagen.«
»Das schon, aber sie ist in Schottland.«
»Wo sie versucht, ihre Brennerei auf Vordermann zu bringen?«
Gemma nickte und kniff verlegen die Augen zusammen, als ihr plötzlich die Tränen kamen. Nach den tragischen Ereignissen des Frühlings hatte sie Hazel dazu ermutigt, zu tun, was immer sie für richtig hielt, selbst wenn das
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