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Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House

Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House

Titel: Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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der sich in der Zwischenzeit wohl auf ihrem Schreibtisch in Notting Hill angehäuft hatte. Sie würde heute Abend sicherlich nicht früh genug
fertig werden, um mit Sergeant Franks auf seinen Geburtstag anstoßen zu können.
    »Keine fünf Minuten von hier, direkt gegenüber von meiner Kirche.« Winnie lächelte. »Bei der Gelegenheit kann ich dir auch gleich zeigen, wo ich derzeit meine tägliche Fron ableiste.«
     
    Kath Warren schloss sich auf der Toilette neben ihrem Büro ein und stützte sich auf das Waschbecken. Sie hielt seine kalte Porzellankante gepackt, als sei es der einzige Fixpunkt in einem sich stets verändernden Universum. Dann atmete sie tief ein und aus, ruhig und regelmäßig, und nach einer Weile drehte sie das kalte Wasser auf und hielt die Handgelenke unter den Strahl. Als der Schwächeanfall allmählich nachließ, drehte sie den Hahn zu und wollte nach dem Handtuch greifen, musste aber feststellen, dass es nicht an seinem Haken hing. Wahrscheinlich hatte eine der Bewohnerinnen des Frauenhauses es mitgehen lassen – wie üblich. Kath riss ein Stück Klopapier ab, trocknete sich die Hände und betrachtete ihr Gesicht in dem mit Fliegendreck übersäten Spiegel über dem Waschbecken.
    Sie sah sorgfältig gesträhntes Haar, mit teurem Fransenschnitt an den Seiten und im Nacken; ebenmäßige Züge mit einer leichten Stupsnase, straffe Haut, gleichmäßig gebräunt von ihren wöchentlichen Besuchen im Sonnenstudio. Ein durchaus akzeptables Gesicht, sagte sie sich, ein attraktives Gesicht, doch das kalte Licht, das durch das Toilettenfenster drang, ließ keinen Zweifel daran, dass es sich um das Gesicht einer fünfundvierzigjährigen Frau handelte.
    Wie hatte sie sich je einreden können, dass das keine Rolle spielte? Sie hatte ihren Job aufs Spiel gesetzt, ihre Ehe, ihre Kinder, ihre komfortable Doppelhaushälfte in Peckham – und alles für ein paar flüchtige Schäferstündchen auf dem fleckigen, abgewetzten Sofa in ihrem Büro.
    Schäferstündchen. Das war ja wohl ein noch schäbigerer Euphemismus
als friedlich entschlafen oder entwicklungsgehemmt. Wenigstens konnte sie ehrlich mit sich selbst sein. Es war Sex gewesen – verschwitzter, pulstreibender, herzjagender, prickelnder Sex – und sie hatte es mit einer leidenschaftlichen Heftigkeit gewollt, die sie sich selbst gar nicht zugetraut hätte.
    Und sie hatte geglaubt, dass es ihm genauso viel bedeutete wie ihr. Sie war eine Närrin gewesen – eine lächerliche, peinliche, alternde Närrin, und jetzt musste sie zusehen, wie sie mit den Konsequenzen fertig wurde.
     
    Der Anruf war an diesem Morgen gekommen, als Michael Yarwood gerade in seinem Hotelzimmer in Birmingham eine letzte Tasse Kaffee hinuntergekippt hatte, bevor er zum ersten Tag der dreitägigen Konferenz der Labour Party aufbrechen sollte. Auf der offiziellen Tagesordnung standen Themen wie »Kommunikation mit der Basis« und »Die Steuerfrage«, doch der wahre Zweck des Treffens war es, möglichst viele Hände zu schütteln und Schultern zu klopfen, um Allianzen zu schmieden oder zu festigen, die den eigenen politischen Ambitionen förderlich sein konnten. Wenn er in seinen Lehrjahren als Abgeordneter noch so naiv gewesen war zu glauben, dass es auf seine eigenen Überzeugungen ankäme, so hatte er diesen Irrtum inzwischen längst eingesehen. Aber er hatte seither nicht nur die Spielregeln gelernt, sondern auch echtes Gefallen an dem Spiel gefunden, und er hatte sich auf dieses Wochenende gefreut, weil er sich davon eine Ablenkung von seinen persönlichen Sorgen versprochen hatte.
    Dann hatte die Polizei in seinem Londoner Büro angerufen, und das hatte alles ins Rollen gebracht. Seine Sekretärin hatte ihn angerufen, voller Panik in der Stimme, und er hatte sich in den nächsten Zug gesetzt, hatte am Bahnhof ein Taxi genommen und nur einen kurzen Umweg über seine Wohnung gemacht, um seine Reisetasche abzustellen. Jetzt stand er da und starrte ungläubig auf die kläglichen Überreste seines Hauses,
und der Anblick ließ ihn nach Luft ringen, als hätte ihn ein Brauereipferd vor die Brust getreten. So schlimm hatte er es sich nicht vorgestellt – die gähnenden Fensterlöcher, die Schutthaufen auf dem Gehsteig stellten seine wildesten Fantasien in den Schatten.
    In Schutt und Asche gelegt . Vielleicht war das die gerechte Strafe für den Sohn eines Maurers, der danach gestrebt hatte, seine bescheidenen Wurzeln hinter sich zu lassen. Er war achtzehn gewesen, als er sich vom

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