Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
wie abgestorbene Haut an seinen Gliedern und ließ das greise Ungeheuer aussehen, als sei es in der Häutung begriffen, als werde seine Verwesung nur noch durch fadenscheinigste Barrieren aufgehalten.
Aus seiner eingesunkenen Brust ragte etwas Kantiges, das den schmutzigweißen Stoff des Smokinghemds pyramidenförmig nach außen wölbte. Frankensteins Blick wurde von dieser Anomalie angezogen; er hatte sich rasch in dem Raum umgesehen, als die Lampen aufflammten, und wusste, dass er sich auf irgendeine Sache, auf etwas Greifbares konzentrieren musste, wenn er nicht zusammenbrechen oder den Verstand verlieren wollte.
Um den Stuhl des Ungeheuers herum stapelten sich wahllos aufgehäuft die Überreste von mehr Männern und Frauen, als Frankenstein seinen schon taumelnden Verstand schätzen lassen durfte. Glänzend weiße Knochen, von denen alles Fleisch abgenagt war, leuchteten in ekelhaften Klumpen aus toten, verrottenden Leibern. Lange Haarsträhnen in allen Farben zogen sich im Lampenlicht wie leuchtende Adern durch die faulige Masse. Es gab Arme und Beine und Hände; ihre Haut war teils schwarz vor Alter und Verwesung, teils bläulich marmoriert wie bei erst kürzlich Gestorbenen.
Der Fäulnisgeruch war unvorstellbar: ein fast greifbar dicker Gestank von Blut und Schmutz. Aus dem widerlichen Durcheinander starrten Gesichter, Schädel mit einem Überzug aus papierdünner Haut, grün-schwarze Blasen als einzige Überreste der Gesichter von Männern und Frauen, die schon vor langer Zeit in diesem Raum gestorben waren. Dazwischen die blassen Gesichter der erst zuletzt Ermordeten, deren bittender oder empörter Ausdruck noch sichtbar war – auch ohne die Augen, die herausgefallen oder ihnen herausgerissen worden waren.
Als Frankenstein die Brust des Vampirs anstarrte, wurde er auf eine winzige Bewegung neben dem Stuhl aufmerksam und sah unwillkürlich hin. Die grauen Finger des greisen Ungeheuers streichelten geistesabwesend das lange blonde Haar eines abgerissenen Kopfs, der ihm offensichtlich hingestellt worden war. Die durch den Raum starrende junge Tote wies Gott sei Dank keine Folter- oder Verletzungsspuren auf; ihr Gesicht wirkte so völlig überrascht, dass Frankenstein sich von ganzem Herzen zu wünschen gestattete, sie habe nicht lange leiden müssen.
»Mylord Dante«, sagte Latour ehrerbietig. Er hatte den Kopf gesenkt, als er Frankenstein in den Raum gefolgt war, und hielt ihn jetzt weiter gesenkt. »Nach fast neunzig Jahren habe ich Ihnen das Monster zurückgebracht. Damit Sie sich rächen können, Euer Majestät.«
»Latour«, krächzte Lord Dante heiser. »Mein Treuester. Du ehrst mich noch, wo andere mich verlassen haben. Du sollst für deine Arbeit belohnt werden, mit allem belohnt werden, was du begehrst. Sage, was du dir wünschst, und es sei dir gewährt.«
»Mylord«, sagte Latour, »dass die Gerechtigkeit endlich siegt, ist mir Belohnung genug. Aber wenn Sie darauf bestehen, Euer Majestät, hätte ich einen kleinen Wunsch.«
Der Vampirkönig lachte: ein schreckliches Röcheln, als gehe es mit ihm zu Ende.
»Ich weiß, was du meinst«, antwortete er.
Lord Dante streckte eine zitternde Hand aus, ergriff die kleine goldene Glocke, die vor ihm auf dem Tisch stand, und schwang sie energisch. Fast augenblicklich öffnete sich eine Tapetentür, die Frankenstein bisher nicht wahrgenommen hatte, und ein Diener in untadeliger Abendkleidung erschien. Als er sich seinem Meister näherte, sah Frankenstein, dass er einen Augenblick lang angewidert die Nase rümpfte.
»Euer Majestät«, sagte der Diener mit gesenktem Kopf. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Bring Sophie her«, sagte Lord Dante und verzog das Gesicht zu einer widerlichen Fratze, die ein Lächeln sein sollte. »Sie gehört jetzt Latour.«
Frankenstein hörte, wie hinter ihm ein erregtes tiefes Knurren aus Latours Kehle kam, und spürte seine Magennerven rebellieren.
»Sofort, Euer Majestät«, sagte der Diener; er entfernte sich rückwärtsgehend und verschwand durch die Tür. Lord Dante sah ihm nach, dann konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf Frankenstein.
»Ich hätte nie geglaubt, dass ich dich noch mal wiedersehen würde, Monster«, sagte er mit leiser, brüchiger Stimme. »Ich hatte mich schon damit abgefunden, mich nie an dir rächen zu können. Aber nun stehst du hier vor mir … Wie eigenartig es auf der Welt zugeht! Was hast du zu deiner Rechtfertigung vorzubringen?«
»Ich habe nichts zu sagen«, antwortete
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