Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
verhallen. Er hatte sich seine prächtige Rüstung vom Leib gerissen und weggeworfen, aber er konnte noch immer die Rufe und das Getrampel seiner Verfolger hören, die mit jeder Minute näher kamen.
Mindestens fünf türkische Soldaten; vielleicht sechs, womöglich mehr. Der Fürst der Walachei wusste besser als jeder andere, welche Schrecken ihn im Lager der Türken erwarteten, falls er in Gefangenschaft geriet, und verdoppelte seine Anstrengungen, dass der weiche Waldboden unter seinen Füßen dröhnte.
Bevor ich mich in Ketten legen lasse, sterbe ich, dachte er. Ich beuge mich niemandem.
Das Heer, das durch sein Land vorgerückt war, war seinen Truppen fünffach überlegen gewesen. Vor weniger als einem Jahr hatte Stephan Barthory, der Fürst von Transsilvanien, Vlad geholfen, seinen Thron zurückzugewinnen; sie waren gemeinsam in die Walachei einmarschiert, und Basarab, der törichte, feige alte Mann, der Vlads Bruder Radu als Herrscher nachgefolgt war, war ohne Gegenwehr geflüchtet.
Aber Stephan hatte sich geweigert, zu bleiben und Vlads dritte Periode als Herrscher zu konsolidieren, und sein Abzug – sein Verrat, es war Verrat gewesen – hatte ihn verwundbar zurückgelassen. Binnen weniger Monate war ihm gemeldet worden, ein türkisches Heer ziehe nach Norden, und als klar gewesen war, dass keine Hilfe zu erwarten war, war er dem Feind mit seiner moldawischen Elitegarde und wenig mehr als tausend Mann auf den Ebenen bei Bukarest entgegengeritten.
Sie haben wie vierzigtausend gekämpft. Haben gekämpft und sind gefallen, wie’s Männer tun sollten.
Vlads Arm blutete von dem Schwerthieb, der ihn vom Pferd geholt hatte, aber er spürte keinen Schmerz. Stattdessen erfüllte ihn übernatürliche Ruhe, die ihm die Klarheit eines Mannes verlieh, der um sein Leben rennt. Irgendwo hinter ihm, auf der Flucht vom Schlachtfeld oder tot auf seiner blutgetränkten Erde liegend, waren seine Generäle, die Brüder Rusmanov. Als klar wurde, dass die Schlacht verloren, dass seine kurze dritte Herrschaft über die Walachei zu Ende war, hatte Vlad die Flucht ergriffen, ohne sich noch einmal umzusehen. Für kurze Zeit empfand er Schuldgefühle, aber er schob sie rasch beiseite.
Ich habe ihnen nie die Unsterblichkeit versprochen. Sie sind mir sehenden Auges gefolgt und haben ihren Anteil an der Kriegsbeute gern empfangen.
Die Sonne war im Westen hinter dem Horizont versunken, und um Vlad herum wurde es dunkel, während er weiterrannte. Unter einer riesigen Steineiche machte er halt, um Atem zu schöpfen, und horchte angestrengt auf die Geräusche seiner Verfolger.
Der Wald war still.
Aus keiner Richtung war der geringste Laut zu hören, und Vlads wilde Befriedigung bei dem Gedanken, den türkischen Soldaten entkommen zu sein, wich plötzlichem Unbehagen. Der Eichenstamm vor ihm wirkte uralt, knorrig und in sich verkrümmter als alle Bäume, die er bisher gesehen hatte – dabei hatte er in diesen Wäldern schon tausendmal zu Pferd gejagt, seit er seinen Sommerpalast unweit des Städtchens Bukarest bezogen hatte. Vlad sah sich auf der kleinen Lichtung um, auf der er stand, und stellte fest, dass alle Bäume gleich aussahen: turmhoch aufragende verdrehte Stämme mit splittriger grauer Rinde. Am Fuß dieser Baumriesen wuchsen Blumen, die er nicht kannte, kleine Gruppen von schwarzen Blüten und mitternachtsblaue stachlige Ranken.
Was für ein Ort ist dies? Hier war ich noch nie.
Dies ist die Tiefe, flüsterte eine Stimme, und Vlad fuhr herum, griff instinktiv nach seinem Schwert. Aber die kurze Klinge war längst fort, steckte in den Eingeweiden eines türkischen Soldaten, der versucht hatte, den Flüchtenden aufzuhalten.
Dein Schwert kann dir hier nicht helfen, flüsterte dieselbe Stimme. Sie klang unbeschwert, fast jovial, schien aus seinem Kopf, von allen Seiten und von nirgendwo zu kommen.
»Wer spricht zu mir?«, blaffte Vlad und stapfte in die Mitte der Lichtung. »Zeige dich!«
Keine Antwort.
Die Stille im Wald war absolut, während das letzte Tageslicht schwand. Vlad Tepes spürte Angst in sich aufsteigen, als er sich auf der Lichtung umsah und zu erkennen versuchte, woher er gekommen war.
Nirgends eine Spur.
Er hatte sich verlaufen.
Es gab keine abgebrochenen Zweige, kein niedergedrücktes Gras, kein Anzeichen dafür, dass hier in den letzten hundert Jahren jemand langgegangen war. Vlad starrte in die Dunkelheit, versuchte sein jagendes Herz zu beruhigen. Als er zu entscheiden versuchte, in welche
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