Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
Richtung er weitergehen sollte, hörte er ein Geräusch, den ersten Laut außer der absurden, unbekümmerten Stimme, seit er diesen Ort betreten hatte.
Der Laut war ein scharrendes, kriechendes Geräusch, das Vlad eisige Schauder über den Rücken jagte. Es kam von etwas, das durch die uralten Bäume kroch, von etwas, das langsam und alt und geduldig war. Vlad fuhr herum, ballte die Fäuste und suchte in den Räumen zwischen den Baumriesen und dem dunklen Unterholz nach der Quelle dieses Geräuschs. Dann wurde ihm klar, was hier vorging, und er spürte, wie panische Angst sein Herz ergriff.
Die Bäume selbst bewegten sich.
Zwei der uralten Steineichen beugten sich langsam zueinander, bis ihre Wipfel sich kreuzten und ein Rundportal bildeten, das in – die Tiefe, ’s ist die Tiefe – den nachtdunklen Forst führte.
Komm zu mir, flüsterte die Stimme. Komm zu mir.
Vlad starrte das Portal vor ihm ungläubig an. Dies konnte nicht wirklich sein, sagte er sich; bestimmt hatte er wegen der verlorenen Schlacht, des Todes seiner Generale und seiner Männer den Verstand verloren, und dies war nicht mehr als die Wahnvorstellung eines Verrückten?
Sei nicht töricht, fauchte die Stimme, und Vlad schrie auf. Der unbekümmerte Tonfall war verschwunden; die Stimme klang wie der Tod, alt und tief und dunkel. Komm zu mir, solange ich dich einlade. Du kannst sonst nirgends hin.
Vlad sah sich auf der Lichtung um und erkannte, dass die Stimme die Wahrheit sprach. Auf allen Seiten hatten sich die Bäume zusammengeschlossen und bildeten einen undurchdringlichen hölzernen Wall, der ihn vollständig umgab.
Er war gefangen.
Süßlich bittere Galle schäumte in seinem Magen, als er erkannte, dass ihm keine Wahl blieb. Vlad zwang seine Beine dazu, sich zu bewegen, ging am ganzen Leib zitternd weiter und betrat das Rundportal. Die Dunkelheit, die ihn umfing, war absolut; sie entstand durch gänzliche Abwesenheit von Licht. Er hörte, wie die Bäume hinter ihm sich erneut bewegten, und machte zögernd einen weiteren Schritt.
Sein Fuß trat ins Leere.
Vlad verlor das Gleichgewicht, seine Hände fanden keinen Halt, dann taumelte er mit einem Schrei vorwärts und stürzte in die Tiefe.
Er erwachte unbestimmbar lange Zeit später.
Unter dem Rücken spürte er Gras, und als er mühsam die Augen öffnete, sah er den Nachthimmel über sich. Sternenbilder kreisten und wirbelten unglaublich tief, formten nie gesehene Lichtmuster. Eine Gruppe blasser roter Sterne sammelte sich in Form eines Stierkopfs, um dann zu verschwinden, als ein Klumpen grün schillernder Lichter das Bild einer riesigen aufgerollten Schlange an den schwarzen Himmel zeichnete.
Diese Bilder ließen Vlads Magen rebellieren, und er sah weg. Er stemmte sich hoch, bis er im Gras saß, und versuchte sich zu erinnern, wo er war und was ihm zugestoßen war.
Das Gras unter ihm war so dunkelgrün, dass es selbst im Licht des wirbelnden, ständig wechselnden Kaleidoskops über ihm fast schwarz wirkte. Es wuchs in einem Kreis mit etwa zehn Schritt Durchmesser. An seinem Rand hielten Statuen aus altem grauen Stein Wache, bildeten einen geschlossenen Wall. Die Steinfiguren waren grotesk: Männer und Frauen in Todesqualen verzerrt, qualvoll verendende Tiere, Dämonengestalten, gehörnt und stachlig und schuppig, mit bizarr lustvollen Fratzen. Über den Statuen schien es nichts zu geben als den pechschwarzen Himmel. Es gab keine Tür, keinen Durchgang, der hätte erklären können, wie er an diesen schrecklichen Ort gelangt war.
Ich bin gefallen. Ich denke, ich bin gefallen.
Dann explodierte Erinnerung in Vlads Kopf, und er schrie auf, als ihm wieder alles einfiel: die Schlacht, der Wald, die sich bewegenden alten Bäume und die grausig unnatürliche Stimme, die ihn angesprochen hatte. Er rappelte sich auf und stand nun vor dem einzigen Ding, mit dem er sich den Kreis teilte.
Es war ein Altar.
Ein großer rechteckiger Block, roh aus hellgrauem Stein gehauen, stand am Rand der Grasfläche unter zwei miteinander verwobenen Statuen, die solche Gewalt darstellten, dass Vlad – ein Mann, der seine Feinde Martern ausgesetzt hatte, von denen in ganz Europa nur geflüstert worden war – ihren Anblick nicht ertrug. In den Stein waren Lettern in einer ihm unbekannten Sprache eingehauen, und seine Oberseite hatte dunkelbraune Flecken von vor Langem vergossenem Blut.
Zorn überwältigte Vlad, und er stürmte vorwärts. Er hämmerte mit den Fäusten auf den Altar, kreischte und
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