Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
gedacht«, sagte Wehling. »Gut, nicht?« Er klang stolz. »Du kannst ruhig schreien, wenn dir danach ist. Hier gibt’s außer uns beiden keine Menschenseele mehr. Wir sind auf einem Bauernhof. Irgendein Bomber hatte noch was übrig und wollte es loswerden. Und da hat es den Hof erwischt. Aber der Keller hat gehalten. Gut für uns, nicht?«
    Er zog an seiner Zigarette und ging auf und ab. In der Ecke erkannte Werdin einen Stuhl. Wehling setzte sich darauf. »Ich muss ein paar Sachen erfahren, bevor ich zu den Genossen zurückkehre. Der Genosse Stalin interessiert sich für dich, du bist ein richtig wichtiger Mann.«
    Werdins Hände waren eingeschlafen. »Bind mich los«, sagte er.
    Wehling schüttelte den Kopf. Er tat mitleidsvoll. »Das darf ich leider nicht. Du hast mich ausgetrickst. So was klappt beim Genossen Wehling immer nur einmal. Sieh es doch so, du hattest deine Chance und hast sie vergeudet. Jetzt bin ich dran.«
    Wellen des Schmerzes durchführen Werdins Schädel.
    Wehling sprach langsam, fast gemütlich: »Du kannst es dir aussuchen. Es gibt einen leichten Weg und einen schweren. Ich kann dich zu Auskünften zwingen und dann töten. Du kannst aber auch alles gleich erzählen, und dann bekommst du einen schönen schmerzfreien Tod. Na ja, fast schmerzfrei. Ich habe hier eine kleine Kapsel.« Wehling zeigte sie Werdin. »Da ist Zyankali drin. Das habe ich mir für den Fall erbeten, dass deine Freunde von der SS mich erwischen. Ich würde dir diese Kapsel schenken, quasi als Belohnung.« Er steckte die Kapsel in die Brusttasche seines schmutzigen Jacketts. »Du siehst, ich bin Optimist.«
    Werdin konnte ein Zittern nicht unterdrücken. Er spürte, wie Kälte und Angst nach ihm griffen. Panik überfiel ihn. Ich komme hier nicht heraus. Ich muss herauskommen. Ich habe Wehling unterschätzt, er lernt schnell und ist eiskalt. Gedanken rasten durch seinen Kopf. Wie löse ich die Fesseln? Er sah Irma und dachte daran, dass er bald tot sein würde. Wenn Wehling den Zettel mit dem Namen und der Telefonnummer der Mellenscheidts in seiner Jacke fand, waren auch sie in Gefahr. Jedenfalls dann, wenn Wehling glaubte, dass sie etwas wussten, was Werdin nicht verraten wollte. Wehling hatte nicht viel Zeit und war gewiss bereit, jedes Verbrechen zu begehen, um in Moskau berichten zu können, was er alles riskiert habe, um seinen Auftrag zu erfüllen. Oder hatte Wehling den Zettel schon an sich genommen?
    »Sie sind Werdins engster Mitarbeiter«, sagte Krause. »Aber Sie wissen nicht, wo der Sturmbannführer ist?«
    Gottlieb nickte leicht. Er hatte es Krause einmal gesagt, das musste reichen.
    »Er hat sich nicht irgendwohin abgemeldet?«
    »Nein, Standartenführer.«
    Krause schaute nachdenklich ins Leere. »Erst ist Müller weg, dann Werdin. Ob der auch in Russland ist?« Seine Finger spielten auf der Schreibtischplatte. »Ich habe einen Schlag gekriegt, als Radio Moskau meldete, der Chef der Gestapo ist in die Sowjetunion übergelaufen. Und nun Ihr Chef?«
    »Unmöglich, Standartenführer«, sagte Gottlieb. »Ihm muss etwas passiert sein. Vielleicht bei einem Bombenangriff.«
    »Kann sein, glaube ich aber nicht. Ich bin überzeugt, der Mann ist abgehauen. Er hat mit Müller gegen uns zusammengearbeitet.«
    »Er hat Müller gehasst«, erwiderte Gottlieb. »Er hat niemanden mehr gehasst als Müller.« »Das hat er vorgetäuscht. Ich kann beweisen, dass Werdin ein kommunistischer Spion ist.«
    Gottlieb schaute ihn bleich an. »Mir ist nie etwas aufgefallen.«
    »Wir haben vor ein paar Tagen seinen Funker geschnappt, einen Fetten mit einer Knollennase und dem phantasievollen Decknamen Fritz. Wir haben den Fettsack bearbeitet, und er hat es zugegeben. Auf Fritz’ Spur sind wir gekommen durch einen guten Bekannten aus den besten Zeiten der Kommune, Hermann Weißgerber, der leider nicht mehr unter den Lebenden weilt. Das war vielleicht ein bisschen voreilig, ich hätte ihn jetzt gerne noch dieses oder jenes gefragt.«
    »Sie haben Fritz verschärft behandelt?«
    »Wir mussten. Er hat geschwiegen wie ein fetter Karpfen.«
    »Aber sagt er die Wahrheit, oder hat er Ihnen ein Märchen erzählt, damit Sie ihn in Ruhe lassen? Vielleicht will er erreichen, dass wir uns untereinander verdächtigen?«
    »Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich«, erwiderte Krause nachdenklich. »Nur, woher kennt er dann Werdins Namen?« Er zog kräftig an seiner Zigarette. »Außerdem ...«
    Das Telefon klingelte. Krause riss den Hörer von der Gabel

Weitere Kostenlose Bücher