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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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an der Tür weckte ihn. Er öffnete die Verriegelung von innen, der Schaffner stand in der Türöffnung und fragte: »Sie waren doch vorhin noch zu zweit?«
    »Ja, mein Gegenüber will nicht mehr Zug fahren«, erwiderte Werdin verärgert. Schlaf war kostbar.
    »Und er hat sein Gepäck dagelassen?«
    »Das sehen Sie doch«, erwiderte Werdin.
    Der Schaffner polkte mit nikotingebräuntem Daumen am Nagel seines nicht minder braunen Zeigefingers. Er guckte blöde auf den Platz des Obersten, dann wieder auf Werdin. Am Ende siegte die Angst vor der SD-Uniform über die Neugier. Er schob seine Schirmmütze ein Stück nach hinten, seufzte kurz und schloss die Tür von außen.
    Der Frankfurter Bahnhof bot ein noch wilderes Bild als der Stuttgarter. Die Halle war fast völlig zerstört. Überall lagen Steine, Glassplitter, verbogene Stahlträger herum, der Wind trieb Staub und Dreck über die Bahnsteige. Und doch verkehrten immer noch dampfend Züge von und nach Frankfurt. Werdin drängte sich in einen Zug nach Berlin, der mehr als zwei Stunden zu spät eingetroffen war. Diesmal hatte er das Kurierabteil allein für sich. Er hatte die Aktentasche des Obersten bei sich, Koffer und Mantel hatte er zurückgelassen.
    Durch das Fenster des Kurierabteils beobachtete er, wie die Leute sich in die Waggons drängten. Viele mussten draußen bleiben. Was trieb die Menschen in die Reichshauptstadt? Ahnten sie, dass die Westfront zusammenbrach? Hatten die Westalliierten wieder sackweise Flugblätter abgeworfen, »Kapitulation ist die Rettung«, »Hitler = Göring = Goerdeler«? Aus dem Osten kamen die Russen, sie hatten bereits Stettin und Breslau genommen und sammelten neue Kräfte für eine Offensive. Währenddessen mühten sie sich, Mansteins Gegenschläge abzufangen. Der Marschall ließ ihnen keine Ruhe und verzögerte die Angriffsvorbereitungen. Je dichter die Front an Berlin heranrückte, desto zäher der deutsche Widerstand. Doch mussten sie jetzt kapitulieren oder alles auf eine Karte setzen, auf die Uranbombe. In zwei oder drei Wochen war es zu spät.
    Diebner und Kollegen waren vielleicht gerade noch rechtzeitig fertig geworden.
    Im Bahnhof Zoo angekommen, suchte Werdin ein Dienstzimmer der Reichsbahner auf, zückte seinen SD-Ausweis und forderte, sofort telefonieren zu dürfen. Eine Bitte hätten die Blauuniformierten womöglich abgelehnt mit dem Hinweis, es handele sich um ein Diensttelefon der Reichsbahn, das für Notfälle bereitstehe. Die SS war nach wie vor nicht überall beliebt. So aber ließen sich die Reichsbahner sogar aus dem eigenen Zimmer werfen, ein Hinweis auf eine »Geheime Reichssache« und die Erwähnung des Reichsführers-SS genügten. Der Kampf um die Beamtenpension begann früh und erforderte Beweglichkeit.
    Nachdem die Reichsbahner abgetreten waren, wählte Werdin die Nummer der Mellenscheidts. Irma meldete sich.
    »Ich bin wieder in Berlin«, sagte Werdin.
    »Du hast mich lange warten lassen«, erwiderte Irma. »Wann kommst du?«
    »Ich kann jetzt gleich kommen.«
    »Dann tu es.«
    Er nahm sie in die Arme, es störte ihn nicht, dass ihre Eltern es sahen. Gustav und Margarete freuten sich, ihn wieder zu sehen. Sie wunderten sich mit ihm über das Glück, bisher überlebt zu haben. Meilenscheidts Fabrik war wieder bombardiert worden, und sie hatten die Schäden wieder repariert. In der Nachbarschaft hatte es einige Häuser mehr oder weniger schlimm erwischt. Einige Menschen waren getötet oder verletzt worden. Von Irmas Bruder Klaus hatten sie Wochen nichts gehört, bis er aus einem Lazarett schrieb. Er hatte sein rechtes Unterbein verloren, der Brief klang trotzdem recht fröhlich. Wer nicht umkam im großen Gemetzel, hatte Glück gehabt. Und warum sollte Klaus später nicht Arzt werden können, dazu brauchte er seine Hände.
    »Musst du nicht zu deiner Dienststelle?«, fragte Irma.
    »Ja, nachher. Das reicht. Ich muss dann auch mal zu Hause nach dem Rechten sehen. Angeblich hat der Blockwart dafür gesorgt, dass neue Scheiben eingesetzt wurden. Bin mal gespannt, ob es die auch schon wieder erwischt hat.«
    Irma schaute ihn zweifelnd an.
    »Spätestens am Wochenende bin ich wieder da, wenn ich darf.«
    Irma lachte. »Nein, streng verboten. Bald nistest du dich hier ein. Und dann müssen wir sehen, wie wir dich wieder loswerden.«
    »Warum nicht?«, fragte Mellenscheidt. »In der Innenstadt lebt es sich gefährlicher als hier.«
    Werdin sah, wie Irmas Gesicht sich leicht rötete.
    »Wir reden am Wochenende

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