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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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warum machst du mit? Warum hast du dich so schnell entschieden. Die Sache kostet dich wahrscheinlich den Kopf ...«
    »Deiner sitzt auch nicht fester auf dem Hals.«
    »Aber der Einsatz lohnt sich.«
    »O Gott, ein romantischer Held.«
    »Quatsch.«
    »Du musst wissen, was du warum tust. Ich will dir sagen, warum ich mitmache. Erstens wärst du Dilettant ohne mich aufgeschmissen.«
    Rettheim schlug sich die flache Hand an den Kopf. »Will Deutschlands bestbewachten Mann umbringen und hat keinen Plan! Zweitens ist Himmler fällig. Noch haben wir eine Machtbalance, aber wenn die Militärs wieder Blut lecken von wegen Deutschlands Größe, dann kippt die Waage auf die schwarze Seite. Die zivilen Dilettanten sind zu schwach, und unser Reichskanzler ist einer der schwächsten. Arbeitsminister Leber schwört auf die Soldaten, aber die schwören nur auf sich. Die Wehrmacht liebt die SS immer noch nicht, sie will der einzige Waffenträger der Nation werden, wie es Hitler ihr einmal versprochen hat, als er beim so genannten Röhm-Putsch die SA köpfte. Und dann gibt es noch Streit in der Wehrmacht. Die Verschwörer sind die schwächste Fraktion, vielen Generalen und Feldmarschällen gelten sie als Verräter. Aber niemand kann bestreiten, dass das Attentat der erste Schritt war zur Rettung Deutschlands. Und dann kam die SS zum Zug. Himmler und die Atombombe.«
    »Darüber musst du mir nichts erzählen«, sagte Werdin. Er erinnerte sich zu gut an Haigerloch, an den undurchsichtigen Kurt Diebner, Chef des Uranvereins.
    »Ah ja?«, sagte Rettheim erstaunt. »Aber zurück zu deiner Frage. Immer mehr Offiziere haben immer mehr erfahren.« In Rettheims Gesicht spiegelte sich Fassungslosigkeit. »Die haben Millionen ermordet, Zivilisten, weil sie Juden, Slawen, Kommunisten, Akademiker, Lehrer oder sonst was waren. Die hatten Mordfabriken im Osten, die größte stand im ehemaligen Polen, bei Auschwitz. Da haben sie die Leute in Gaskammern erstickt und sie dann in Krematorien in die Luft gepustet. Wie am Fließband. Da sagt man immer, die längsten Fließbänder und die größten Fabriken gebe es in Amerika. Ganz falsch, die größte Fabrik und das längste Fließband aller Zeiten stand im besetzten Polen, produziert wurde Asche. Ich habe das erst nicht glauben können. Andere auch nicht. Aber es war so. Man kann nicht Millionen umbringen, ohne dass es viele mitkriegen. Ein paar Offiziere, nein, nicht die Herren Feldmarschälle und Generale, haben Himmler bei einer Versammlung nach dem Krieg danach gefragt. Du hättest mal sehen sollen, wie der ins Stottern kam. Erst wollte er die Sache vom Tisch wischen, dann verwies er auf Führerbefehle, dann auf das Opfer, das die SS erbracht habe, als sie Hitlers Befehle befolgte. Es war eine irrsinnige Debatte. Er, Himmler, habe sofort nach Hitlers Tod Auschwitz geschlossen und die anderen Lager auch. Sie seien in Gefangenenlager umgewandelt worden. Lange Rede, kurzer Sinn: Solange wir Soldaten Krieg geführt haben, qualmten die Krematorien. Ohne uns wäre Auschwitz nicht möglich gewesen, da gibt es kein Vertun. Und deshalb haben ich und ein paar Kameraden ein Hühnchen zu rupfen mit Herrn Himmler. Du kommst uns gerade recht. Nicht dass wir dich als große Verstärkung betrachten dürften, du denkst ja mehr an die, wie hieß sie noch mal?, aber du gibst mir den letzten Tritt in den Hintern. Das ist ja auch was wert. Und wenn du unbedingt willst, darfst du auf Himmler schießen. In unserem Auftrag natürlich. Du hast ja mal mit deinen Schießkünsten geprahlt.«
    Werdin hatte in Amerika gehört und gelesen von Massenmorden. Aber er hatte nicht gewusst oder besser: er hatte verdrängt, welches Ausmaß sie hatten. Auch er hatte zu der Mörderbande gehört, wenn auch in Moskaus Auftrag. Und doch war er wütend auf sich selbst.
    Himmler schonen, hatte er Stauffenberg geraten. Und Rettheim hatte die Parole in seinem Auftrag im Kreis der Verschwörer vertreten. Himmler schonen, mein Gott, dachte Werdin. Wäre doch der ganze Laden zusammengekracht, dann hätten wir aufräumen können. Wir haben nur daran gedacht, dass wir den Krieg nicht verlieren dürfen. Wir hätten ihn verlieren müssen. Wir haben ihn grundlos angefangen, wir haben Millionen ausgerottet, wir haben Millionen von Kriegsgefangenen verrecken lassen. Wir wollten ungestraft davonkommen. Weil niemand bestraft wurde, haben Stauffenberg, Goerdeler, Leber und Kollegen die Schuld mit übernommen. Das war Himmlers Berechnung. Und sie ist

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