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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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und was Sie wollen. Oder ich erschieße Sie als Einbrecher und bitte meine Kameraden von der Polizei, Ihren Kadaver abzuholen. Sie haben fünf Sekunden Zeit.«
    Der Mann öffnete den Mund, bekam aber keinen Laut heraus. Er hustete und versuchte es noch einmal. Draußen detonierte eine Luftmine. Die Decke knisterte.
    »Ich heiße Karl Wehling«, sagte er leise in breitem Sächsisch. Fast hätte Werdin losgelacht. »Ich komme aus Moskau.«
    »Schöne Reise«, sagte Werdin.
    Die Augen des Manns flatterten. »Ich komme vom Direktor. Mein Auftrag lautet, Sie zu fragen, warum Sie das Attentat nicht verhindert haben.«
    »Woher wissen Sie etwas davon?«
    »Das hat man mir gesagt.«
    Gedanken rasten durch Werdins Kopf. »Du sollst mich umbringen«, sagte er.
    Der Mann nickte. »Ich hätte es aber nicht getan. Wir sind doch Genossen.«
    Werdin glaubte ihm nicht. »Als wäre das ein Grund, sich am Leben zu lassen«, erwiderte er.
    Ein Krachen, Werdin konnte sehen, wie sich Risse durch die Wand zum Nachbarhaus zogen. Instinktiv warf er sich auf den Boden. Das Licht erlosch. Der Einbrecher erkannte seine Chance und rannte los. Werdin sprang hoch, lief in den Flur und hörte Schritte die Treppe hinunterrasen, dann klappte die Haustür zu. Als er auf der Straße stand, war der Mann verschwunden. Werdin sah die Brände im Nachbarhaus. Bomben hatten das Dach zerstört und Teile der Fassade weggesprengt. Er war noch einmal davongekommen. Die Scheiben an der Vorderseite waren gesprungen, Glassplitter übersäten den Vorgarten. Die Bewohner des Nachbarhauses stiegen aus dem Luftschutzkeller, Staub in den Haaren und auf der Kleidung. Sie blickten auf das fast ganz zerstörte Haus. Das Brummen der Bombermotoren entfernte sich. Ein Kind begann zu weinen, niemand tröstete es.
VI.
    E s dauerte eine Weile, bis Krause es begriffen hatte. Es gibt Dinge, die sind unvorstellbar. Und es gibt Dinge, die sind unmöglich. Unmöglich ist es etwa, dass Heinrich Himmler sich zum Judenfreund wandelt. Oder GestapoMüller zum Kommunisten. Genau das aber hielten Kaltenbrunner und Schellenberg für wahrscheinlich. Beide waren ohne Anmeldung und ohne Anklopfen in Krauses Dienstzimmer gestürmt, Kaltenbrunner hatte gebrüllt: »Gruppenführer Müller ist verschwunden!«
    »Ich habe ihn seit Tagen nicht mehr gesehen«, antwortete Krause erschrocken.
    »Seit gestern früh hat ihn keiner mehr gesehen.«
    Kaltenbrunner hatte unter den Opfern des letzten Bombenangriffs nach Müller suchen lassen, nichts. Dann hatten sie seine Wohnung geöffnet und festgestellt, dass Müller ein paar Sachen gepackt hatte. Kaltenbrunner sagte: »Der Kamerad Schellenberg glaubt, dass Müller übergelaufen ist. Wahrscheinlich zu den Russen. Oder er hält sich irgendwo versteckt. Wir überprüfen gerade seine Verwandtschaft. Aber so, wie ich Müller kenne, wird er nicht so blöd sein, bei seiner Tante unterzukriechen.«
    Fast hätte Krause gelacht. Der größte Kommunistenfresser des Dritten Reichs haut Richtung Moskau ab. Krause überlegte, wie er es angestellt haben mochte. Er fragte nur: »Warum?«
    »Weil er mitgekriegt hat, dass wir die Gestapo auflösen«, erwiderte Schellenberg. »Oder genauer gesagt, sie wird in den Sicherheitsdienst eingebaut. Sie sind mit dabei, Krause. Der SD ist nun für Aufklärung und Abwehr zuständig. Müller hat wohl befürchtet, dass sein Kopf rollt. Es gibt sogar in der SS eine Menge Leute, denen er zu oft auf den Schlips getreten ist, auch dem Reichsführer. Der hatte Angst, dass Müller ihn an Hitler verpetzt. Die Goerdeler-Leute wollten Müller absägen, und alle tapferen Soldaten hätten Hurra geschrien. Stauffenberg wollte ihn und Goebbels vor Gericht stellen, Himmler hat pflichtgemäß gemeckert, aber nichts unternommen. Sein Beitrag zum großen Kompromiss, zur Nationalen Versöhnung, wie es neuerdings so schön heißt. Goebbels sitzt schon im Gefängnis und nervt die Wärter. Müller dagegen hat es rechtzeitig spitzgekriegt und ist abgehauen. Er hat Unterlagen über die Rote Kapelle mitgehen lassen und noch ein paar andere Akten, an denen die Russen Freude haben werden. Deshalb vermuten wir, dass er sich nach Moskau absetzen will. Vielleicht ist er auch schon dort. Mit Akten als Mitbringsel für die neuen Freunde.«
    »So eine Scheiße«, sagte Krause. »So eine verfluchte Scheiße. Und nun?«
    »Sie sind ab sofort Schellenberg unterstellt. Das Geheime Staatspolizeiamt hat aufgehört zu existieren. Jetzt ist Fingerspitzengefühl gefragt,

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