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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Geheimnistuerei leid und haben keine Lust mehr, sich für Amerikas Größe von einem General herumkommandieren zu lassen. Die Angst ist ein großer Antreiber. Sie steht nun auf unserer Seite.«
    So hatte Werdin die Angst noch nie gesehen. Er dachte immer, Angst lähmt. Und doch hatte Schellenberg Recht. Es gab zwei Ängste. Eine Angst, die lähmt, und eine Angst, die antreibt. Wird die Angst groß, dann lähmt sie. Bleibt sie überschaubar, treibt sie an. »Und wann haben wir diese Bombe?«
    »Das ist der Haken an der Geschichte. Ich weiß es nicht. Heisenberg, das ist unser bester Physiker, will keine feste Zusage machen. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht in drei. Wir geben ihm alles, was er will. Und er will viel.«
    »Und unsere Physiker haben keine Hemmungen?«
    »Doch, schon. Aber die werden wir überwinden. Heisenberg verlangt, dass wir die Waffe nur zur Demonstration einsetzen. Er glaubt, das würde reichen, um die Feinde zu beeindrucken. Uns soll es recht sein. Außerdem will er, dass wir die Juden besser behandeln. Das tun wir jetzt sowieso. Sonst versauen wir uns die winzige Chance auf einen baldigen Frieden. Aber wenn Sie mich fragen, ohne den großen Knall, den >Big Bange, wie die Amerikaner sagen, wird die Sache nicht abgehen. Die haben uns am Wickel und lassen erst wieder los, wenn wir ihnen fest auf die Greifer hauen.«
    »Aber wie es jetzt aussieht, sind die Russen in Berlin, bevor wir die Bombe haben«, wandte Werdin ein. Eine seltsame Atmosphäre. Er diskutierte mit einem Vorgesetzten, und der hatte es offenbar darauf angelegt. Auch ein Zeichen der neuen Zeit?
    »Die Gefahr besteht. Aber ich glaube, dass unsere Soldaten und die Heimatfront sich jetzt noch mehr einsetzen werden. Sie kämpfen nicht mehr für Eroberungen oder um dem Führer das Leben zu verlängern, wie einige böswillig behauptet haben, sondern für einen gerechten Frieden, für unser Lebensrecht.«
    So pathetisch hatte Werdin Schellenberg noch nie erlebt. Wie es aussah, war der Sicherheitschef das erste Opfer der neuen Propaganda.
    Schellenberg schnippte mit den Fingern. »Außerdem verfolgen unsere Heeresführer eine neue Strategie. Sie verteidigen beweglich und schlagen da zu, wo es den Feind am meisten schmerzt. Göring wird Reichspräsident und gibt sein Amt als Chef der Luftwaffe ab. Feldmarschall Milch wird ihm nachfolgen. Wir stellen das V-Waffen-Programm ein. Experten im Luftfahrtministerium haben berechnet, dass wir so wenigstens zehntausend neue Jäger bauen können. Darunter werden viele Strahlflugzeuge sein wie unsere Me 262. Wir werden Luftraketen bauen und in die Bomberpulks schießen. Speer will die Rüstungsindustrie ummodeln. Statt immer kompliziertere und anfälligere Waffen zu bauen, werden wir viele einfache herstellen. Denken Sie an des Führers Stolz, den Tiger-Panzer. Der sollte in Kursk die Wende bringen, aber die meisten Kolosse blieben kaputt liegen, bevor sie einen Schuss abfeuern konnten. Die Schlacht ging verloren, die Verluste waren riesig. Und das alles wegen des Wunderglaubens an die Technik. Die Russen machen uns das vor: wenige robuste Waffentypen entwickeln und die in großen Serien herstellen. Wenn wir das auf unserem besseren technischen Standard hinkriegen, sieht die Sache schon anders aus. Und schließlich dürfen wir eines nicht vergessen: Immer haben die Alliierten behauptet, es gehe gegen Hitler und sein Regime. Das gibt es nun nicht mehr. Je länger der Krieg dauert, je mehr Amerikaner und Briten fallen oder als Krüppel nach Hause geschafft werden, umso mehr Leute werden fordern, dass Schluss sein soll. Und wenn es unbedingt sein muss, dann sollen die Polen wieder ihren Staat haben. Dafür sind Briten und Franzosen in den Krieg gezogen, dann haben sie, was sie wollten.«
    »Nur ist seitdem viel passiert.«
    Schellenberg blickte Werdin neugierig an. »Das stimmt. Ich habe Himmler schon vor einiger Zeit darauf angesprochen, es wäre besser, die schlimmsten KL zu schließen. Bei den Juden haben wir übertrieben, ich habe es immer gewusst. Aber Hitler hat gedrückt und gedrückt. Und auch der irre Goebbels. Der ist schlimmer als Streicher.«
    Werdin nickte. Er hatte einiges gehört über Exzesse im Osten. Leute des SD, der Ordnungspolizei und der Gestapo waren zu Einsatzgruppen abkommandiert worden. Von deren Arbeit im Hinterland der Front erzählte mancher unglaubliche Dinge. Werdin hatte das meiste als Gerüchtemacherei abgetan oder verdrängt. Er war froh, dass Heydrich ihn damals nicht

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