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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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super terram erit solutum in caelis. –
    Und ich will dir des Himmelsreichs Schlüssel geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein,
     und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.«
     
    Der Arzt brach in Lachen aus. Diese Worte, die Jesus an seinen Jünger Petrus gerichtet hatte, waren ihm wirklich im rechten
     Moment eingefallen. Er wünschte sich, dass Carlos die Augen aufschlagen, die Bedeutung dieser Worte verstehen und ihn, den
     Arzt, sehen würde, wie er sich über ihn beugte und verhinderte, dass Sauerstoff in seine Lungen gelangte. Er wünschte sich,
     dass er einige Sekunden lang um sein Leben kämpfen und dann begreifen würde, dass nichts zu machen wäre.
    »Das war’s, Carlos«, sagte er.
    In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen.
    »Wer sind Sie eigentlich?«, fragte der bärtige Mann aus dem Wartezimmer.
    Augenblicklich war ihm klar, was sich in dem Krankenzimmerabspielte. Er warf sich auf den falschen Arzt, der dem Angriff jedoch blitzschnell auswich, zwei Schritte zurück machte und
     sich kopfüber durch die Fensterscheibe stürzte. Vollkommen überrascht lief der Bärtige ans Fenster, erfahren wie er war riss
     er die Pistole aus dem Achselhalfter.
    »Halt!« Wundersamerweise schien der Mann den Sturz aus dem vierten Stockwerk ohne jegliche Blessuren überstanden zu haben.
     Gerade kam er auf die Beine. »Bleiben Sie stehen, oder ich schieße!«
    Dem Befehl zum Trotz rannte der vermeintliche Arzt davon. Der Bärtige zielte auf die Beine und drückte ab. Für einen Schützen
     wie ihn eigentlich ein Kinderspiel. Und doch ging der Schuss daneben. Der Mann rannte weiter. Sollte er ihm hinterherspringen?
     Würde er ebensoviel Glück haben?
    »Was ist denn hier los?«, fragte in diesem Moment eine panische Frauenstimme im Zimmer.
    »Ich bin Polizist«, erklärte der Bärtige. »Schnell, helfen Sie dem jungen Mann hier.«
    Zwei weitere Schüsse fielen, aber der angebliche Arzt floh durch die Büsche, die den Weg vor dem Gebäude säumten. Unfassbar.
     Er hatte drei Fehlschüsse abgegeben.
    Ohne weiter auf die Krankenschwester zu achten, stürmte der Polizist los, den Korridor hinunter.
    »Rufen Sie den Wachdienst!«, rief er der Schwester am Empfang zu, die wusste, wer er war. »Niemand darf das Gelände verlassen!«
    Am Ende des Korridors angekommen, hastete er die Treppe hinunter. Am nächsten Notausgang zog er ein kleines Funkgerät aus
     dem Gürtel und gab in der Zentrale Bescheid. Keine zwei Minuten vergingen, bis er den Zaun erreichte, der das Krankenhausgelände
     umschloss. Ein junger Wachmann schob am Eingangstor Wache. Nein, sagte er, hier sei niemand vorbeigekommen. Der Polizist bat
     zwei Wachleute, ihm zu helfen, den Park zu durchkämmen. Doch er ahnte, dass sie niemanden finden würden. Er hatte mitangesehen,
     wie der falsche Arzt nach einemSprung aus zehn Metern Höhe aufgestanden und davongerannt war. Der Mann war schnell, schneller als jeder andere, den er je
     verfolgt hatte. Und sobald er den Arztkittel abgelegt hatte, würde er als normaler Passant durchgehen.
    Der Polizist ging zurück zum Gebäude, nahm das Fenster ins Visier. Er hatte auf den Mann geschossen, drei Mal hatte er nicht
     getroffen, und das würde er seinem Chef gegenüber rechtfertigen müssen.
    Und dass man als Erstes dem Opfer helfen muss, haben Sie noch nie gehört, was?, würde der Kommissar sagen. Doch, schon, Chef,
     würde er antworten, aber ich dachte, dem Mann geht es gut, und ich muss doch herausfinden, wer der Täter ist. – Und deshalb
     haben Sie auf ihn geschossen, ja? – Genau, würde er sagen. Aber Sie haben ihn verfehlt, würde der Kommissar erwidern, und
     so war es auch.
    Inspektor Márquez trat zwischen die Büsche, durch die der Unbekannte geflohen war. Er bückte sich und hob den Kittel vom Boden
     auf. Rasch setzte er einen weiteren Funkspruch in die Zentrale ab. Ihm war klar, dass keine große Aussicht bestand, dass der
     Mann sich noch auf dem Gelände befand. Aber er wusste nun auch, dass er nicht versagt hatte. Ein dicker Schweißtropfen rann
     ihm über die Schläfe.

22
    »Ich war kurz unten in der Cafeteria, um etwas zu essen, und als ich zurückkomme, rennen mehrere Krankenschwestern aufgeregt ins Zimmer
     rein und raus. Es hieß, ich soll draußen warten. Dann endlich haben sie mir erzählt, was sie wussten, und ich habe sofort
     dich angerufen.«
    Isabel quittierte Zacs Ausführungen mit einem Nicken. Sie hatte

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