Der 26. Stock
sich einen Weg zwischen den neugierigen Patienten, die aus
ihren Zimmern gekommen waren, gebahnt. Anscheinend hatte jemand versucht, Carlos zu ersticken. Eine Krankenschwester bat Isabel,
ihr ins Schwesternzimmer zu folgen. Ein Polizeibeamter werde gleich dazukommen. Isabel wollte Carlos sehen, musste sich jedoch
mit der Auskunft bescheiden, jetzt sei nicht der beste Moment. Auf die Frage, ob es ihm denn gut gehe, antwortete die Schwester,
der Herr von der Polizei werde sie gleich informieren, sie solle sich keine Sorgen machen.
»Was heißt da keine Sorgen machen?«, fuhr Zac hoch. »Ist es etwa normal, dass so was in einem Krankenhaus passiert? Haben
Sie denn kein Wachpersonal hier?«
Isabel fasste Zac beruhigend am Arm. Aber die Schwester reagierte nicht, bat die beiden lediglich, in dem Raum Platz zu nehmen,
und verschwand dann über den Korridor.
»Wenn ich nur sicher sein könnte, dass es ihm gut geht«, sagte Isabel, die am ganzen Leib zitterte. Sie stand auf und marschierte
im Zimmer auf und ab, bis die Tür aufging.
»Señorita Alvarado«, grüßte der Polizist mit einem leichten Kopfnicken. »Und Sie sind …?«
»Zac… Zacarías Laguna, ein Freund von Carlos.«
»Ach ja, ich habe Sie schon ein paarmal hier gesehen. Ich bin Inspektor Márquez.«
Isabel erkannte ihn sofort wieder. Das war der Polizist, der sie befragt hatte, als Carlos ins Krankenhaus gekommen war. Er
hatte eine durchsichtige Plastiktüte dabei, die er über einen Stuhl hängte. Darin befand sich etwas Rot-Weißes, das Isabel
nicht genau erkennen konnte.
Márquez setzte sich rittlings auf den Stuhl und stützte die Arme auf die Rückenlehne. Sein Gesicht war ernst, sein Blick durchdringend.
»Erstens: Carlos geht es gut. Wenn wir zwanzig Sekunden später gekommen wären, gäbe es jetzt keinen Carlos mehr, aber er hatte
Glück.«
Zac räusperte sich und schnaubte. Er warf Isabel einen unverhohlen skeptischen Blick zu, doch sie reagierte nicht darauf.
»Zweitens: Hier stinkt etwas zum Himmel, und ich glaube, Sie beide wissen, wovon ich rede.«
»Was soll das heißen?«, sagte Zac ungehalten.
»Ganz einfach«, erwiderte der Inspektor scheinbar ungerührt. »Eine Bande zugedröhnter Halbstarker macht sich wohl kaum die
Mühe, einen als Arzt verkleideten Killer loszuschicken. Damit erhärtet sich mein ursprünglicher Verdacht, dass die Sache mit
der Jugendgang Quatsch ist. Das schmeichelt mir zwar, darüber hinaus aber finde ich das gar nicht toll.« Márquez hielt kurz
inne und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Außerdem, Señorita Alvarado, hat Carlos gute Freunde, ganz ausgezeichnete sogar.
Sie beide haben ihn in den letzten Tagen ja kaum allein gelassen, und das Gleiche gilt für den Herrn mit den weißen Haaren,
der immer eine Pfeife dabeihat.«
»Hugo Arías«, sagte Isabel. »Haben Sie Ihr Wissen von den Krankenschwestern?«
Márquez lachte.
»Señorita Alvarado, Sie unterschätzen mich, aber keine Sorge, ich bin das gewohnt. Ich habe die letzten Tage im Wartezimmer
verbracht, mit einem blöden Bart, der die ganze Zeit juckte, und es hat mich ganz schön genervt, so zu tun, als würde ich
Zeitunglesen, während ich das Zimmer im Auge hatte.« Márquez sah auf die Uhr und warf dann Zac einen Blick zu. »Na gut, vor etwa
zwei Stunden haben Sie also Carlos’ Zimmer verlassen.«
»Ich bin nur runter in die Cafeteria, und als ich wiederkam, war hier schon die Hölle los …«
Márquez winkte ab. »Keine Sorge«, sagte er, »Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, jedenfalls nicht dafür. Lassen Sie
mich erst zu Ende erzählen, dann habe ich allerdings sehr wohl noch ein paar Fragen. Okay, Sie waren also kaum die Treppe
hinuntergegangen, da kam ein Arzt den Korridor entlang, ging am Empfangsschalter vorbei und direkt in Carlos’ Zimmer. Wie
Sie sich vorstellen können, habe ich mir zunächst wenig dabei gedacht und ihn mir nicht näher angesehen. Schließlich ist ein
Arzt in einem Krankenhaus nichts Ungewöhnliches, aber dann fiel mir auf, dass die Uhrzeit doch etwas merkwürdig war. Dass
er seinen Arztkittel so ordentlich zugeknöpft hatte, wo ihn doch die meisten Ärzte hier nur überstreifen, das war auch auffällig.
Aber wenn ich ehrlich sein soll, haben die Kappe und die Chirurgenmaske den Ausschlag gegeben.«
Isabel wunderte sich, dass der Polizist ihnen all diese Einzelheiten auftischte, die sie nichts angingen.
»Nach einigen Sekunden habe ich mir also
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