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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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und begegnete dabei den letzten Nachzüglern aus dem Gebäude.
     Alle, die ihn sahen, riefen ihm zu, nicht weiterzugehen, sondern kehrtzumachen. Aber Zac hörte nicht auf sie. Er war aus einem
     ganz bestimmten Grund hier, und der Brand würde ihn nicht aufhalten. Vom zehnten Stockwerk an begannen seine Muskeln, sich
     über die Anstrengung zu beschweren. Er hielt kurz inne, um wieder zu Atem zu kommen. Immer noch dröhnten ihm die Sirenen in
     den Ohren. Zac dachte, dass ihm der Aufstieg leichter gefallen wäre, wenn nur jemand diesen Lärm abgestellt hätte. Fünf Stockwerke
     weiter und irgendjemand tat ihm den Gefallen: Der durchdringende Pfeifton verstummte. Für kurze Zeit hatte Zac einen Nachhall
     in den malträtierten Ohren, dann registrierte erein anderes Geräusch. Ein Murmeln, das aus den unteren Stockwerken kam. Er beugte sich über das Treppenauge. Bis ganz nach
     unten konnte er nicht sehen, aber es musste wohl die erste Feuerwehrmannschaft eingetroffen sein. Wenn er sich nicht beeilte,
     würden die Feuerwehrmänner ihn auf der Treppe einholen, bevor er sein Ziel erreichte. Er beschleunigte seinen Schritt.
    Nach ein paar Minuten spürte er, dass die Temperatur gestiegen war, und er nahm erste dünne Rauchfäden wahr, die die Sicht
     aber noch nicht behinderten. Auf dem nächsten Treppenabsatz zeigte ihm eine Tafel in goldenen Lettern, dass er bereits achtzehn
     Stockwerke hinter sich gebracht hatte. Sein Hemd war völlig durchgeschwitzt. Er atmete schwer, und das Blut pochte ihm in
     den Schläfen, aber er blieb keine Sekunde lang stehen.
    Ein Stockwerk weiter oben traf ihn der erste Hitzeschwall, und wiederum eine Etage höher wurde ihm klar, dass er wahrscheinlich
     nicht gut genug ausgerüstet war, um weiterzugehen. Er legte noch einen halben Absatz zurück und bekam einen Hustenanfall:
     Von oben schlug ihm dichter Rauch entgegen. Zac überlegte, warum die Sprinkleranlage sich nicht einschaltete. In diesem Moment
     ließ eine Explosion den Boden erbeben, und die Feuerschutztür wurde aus den Angeln gerissen. Aus dem Inneren des Stockwerks
     schoss eine lange Stichflamme und leckte über den Treppenabsatz. Zac machte kehrt. Er musste eine andere Lösung finden. Er
     beschloss, ein Stück zurückzugehen und Schutz hinter einer Tür zu suchen. Wenn die Feuerwehrleute nicht bald etwas unternahmen,
     würde sich der Brand unkontrolliert ausbreiten. Zac wartete. Die Hitze nahm zu. Nach ein paar Minuten hörte er Schritte auf
     der Treppe. Aus seinem Versteck sah er, wie die Männer in ihrer vollen Ausrüstung vorbeistürmten. Sie hatten nur den Brandherd
     im Visier. Zac trat hinter der Tür hervor und ging ein paar Stufen nach oben. So sah er, wie die drei Männer ohne zu zögern
     die aus den Angeln gesprengte Tür beiseitehievten und in das nächsthöhere Stockwerk eindrangen. Inzwischen merkte Zac, dass
     er keine Luft mehr bekam und rannte zurück. Plötzlich hörte er eine weitere Explosion und das Klirrenzerspringender Glasscheiben. Er wagte sich in das zentrale Großraumbüro des Stockwerks und trat an die große Fensterfront.
     Tausende von Glassplittern regneten vom Hochhaus hinab. Auf der großen Straße, die unten am Turm vorbeiführte, waren zahlreiche
     Streifenwagen und Feuerwehrfahrzeuge zu sehen. Die ersten Schaulustigen drängten sich bereits an der Absperrung und starrten
     zum Gebäude hoch. Das Feuer vollführte einen fast hypnotischen Tanz. Ein Schmerzensschrei brachte ihn in die Wirklichkeit
     zurück. Er kam von der Treppe. Einer der Feuerwehrmänner stand auf dem Treppenabsatz und beugte sich über einen seiner Kollegen,
     der blutete. Der dritte Feuerwehrmann forderte über Funk Hilfe, sonst, wiederholte er eindringlich, wären ihre Bemühungen
     dort oben vergeblich. Dann hielt er inne, lauschte den Instruktionen des Einsatzleiters und nickte. Er bückte sich und legte
     dem verletzten Kollegen die Hand auf die Schulter.
    »Kannst du gehen?«, fragte er laut. Der Verletzte nickte und so griffen ihm seine Kollegen unter die Arme, um ihm aufzuhelfen.
     Eine weitere Explosion ertönte, etwas ferner, wie es schien; das Feuer hatte wahrscheinlich auf ein höheres Stockwerk übergegriffen.
     »Also gut, dann los!«
    Zac sah, wie die drei sich auf den Weg nach unten machten. Sie waren mutig gewesen und hatten ihre Pflicht getan. Auf ihn
     aber wartete jemand, das sagte ihm sein Instinkt, und der hatte ihn noch nie getrogen.
    Die Zeit hatte Zac gelehrt, dass es ein Leben gab, für das

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