Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
Vom Netzwerk:
Hugo zurück, während er den Blick geistesabwesend über Isabels Bildschirm schweifen ließ. »Und ich weiß gar nicht,
     wie ich es dir sagen soll. Ich bin manchmal so ein Idiot. Oder auch öfter. Jedenfalls, was man mir geklaut hat, gehört dir.
     Deine grüne Mappe ist spurlos verschwunden.« Isabel biss sich auf die Lippen. »Ich glaube, sonst haben sie nichts mitgenommen,
     und das heißtwohl, dass sie genau das gesucht haben. Isabel, wenn sie die Mappe mitgenommen haben, dann weil sie wichtig ist. Und wenn
     sie wussten, dass ich sie habe, dann sind sie jetzt bestimmt hinter mir her – wer auch immer sie sein mögen.«
    Hugo sprach wie selbstverständlich in der Mehrzahl, und Isabel widersprach ihm nicht. Alberto, Vera, die Beförderungen, Cass,
     der Angriff auf Carlos und jetzt dieser Diebstahl: Das war zu viel, als dass tatsächlich ein Einzelner dafür hätte verantwortlich
     sein können.
    »Glaubst du   …?«, setzte Isabel an.
    »Ob sie wissen, dass ich die Mappe von dir habe? Das weiß ich nicht, ich kann nur hoffen, dass dem nicht so ist.« Hugo trank
     seinen Kaffee aus und stellte den Becher auf den Tisch. »Es wird wohl das Beste sein, wenn ich mich hier erstmal nicht mehr
     so oft blicken lasse. Und wir sollten so wenig wie möglich miteinander reden. Überleg dir das mit der Beförderung, bevor du
     angerufen wirst, ja?«
    Isabel nickte. Hugo trat zu ihr, beugte sich zu ihr herunter und küsste sie unversehens aufs Haar. Es war eine väterliche
     Geste, als wollte er ihr sagen: Ich werde auf dich achtgeben.
    »Ich weiß nicht, wer hinter der ganzen Sache steckt«, flüsterte er, »aber wenn du mir hilfst, werden wir ihn teuer bezahlen
     lassen. Das verspreche ich dir.«
    Isabel nickte noch mal. Hugos Stimme klang brüchig und müde. Er sah aus, als würde ihm das Ganze viel nähergehen als ihr.
     In all den Jahren der Zusammenarbeit hatte sie ihn noch nie so erlebt. Er stand auf und ging zur Tür.
    »Wasser«, sagte er im Hinausgehen.
    Isabel drehte sich ruckartig um.
    »Was hast du da gesagt?«
    »Schiffe versenken«, erklärte Hugo. Trotz seiner Erschöpfung rang er sich ein Lächeln ab. »Spielst du doch, oder? F3, Wasser.
     Ich hab’s zufällig auf deinem Bildschirm gesehen. Ich kann nicht schlafen, und du spielst noch auf dem PC.   Deine Ruhe möchte ich haben, Mädchen. Gratuliere.«
    Isabel fiel es wie Schuppen von den Augen. Sie wartete, bis Hugo gegangen war, dann stürzte sie an die Tastatur.
    Wieso war ihr das nur nicht eingefallen? In Carlos’ Brief hatte doch unmissverständlich gestanden: Sag Zac, die Antwort liegt
     auf dem Wasser. Hastig gab sie das Wort in das Eingabefeld ein:
     
    F3?
    Wasser
     
    Enttäuschung breitete sich auf Isabels Gesicht aus, als nichts geschah. Nein, das Passwort stimmte nicht. Es wäre ja auch
     zu kindisch gewesen. Einen Moment lang hatte sie die Antwort dank Hugos beiläufiger Bemerkung greifbar nahe gewähnt. Fast
     ohne nachzudenken ließ Isabel ihren Finger zur Taste »T« gleiten und schrieb ein anderes Wort hin. Damit setzte sie das absurde
     Spielchen im Grunde nur fort, aber es war einen Versuch wert. Sie starrte auf das lächerliche Wort, das sie getippt hatte,
     und drückte dann die Enter-Taste.
     
    F3?
    Treffer
     
    Auf der Stelle wechselte das Bild. Das kleine Eingabefeld für das Passwort verschwand, und mit ihm das Büro und alles andere,
     was außerhalb des Bildschirms lag. Für Isabel gab es in diesem Moment nur noch, was soeben auf dem Monitor erschienen war.

    Isabel zählte fünfzehn Vornamen mit je einem Buchstaben davor. Sie vermutete, dass es sich um den Anfangsbuchstaben des jeweiligen
     Nachnamens handelte. Aufs Geratewohl griff sie sich einen heraus. M.   Sandra, den siebten Namen auf der Liste. Als sie daraufklickte, wurde eine eingescannte Seite mit ausführlichen Informationen
     geöffnet: Adresse, Personalausweisnummer, Telefonnummern   … Sogar persönliche Hobbies standen dabei. Und darüber das Firmenlogo. Die Nachnamen fehlten, bis auf den Anfangsbuchstaben.
     Vom linken oberen Eck des Bildschirms sah ihr das lächelnde Gesicht einer jungen Frau entgegen. M.   Sandra war dunkelhaarig und trug eine Brille, die wie ihre Frisur etwas altmodisch anmutete. Isabel warf einen Blick auf das
     Geburtsdatum. Von wegen junge Frau, Sandra hätte ihre Mutter sein können. Sie musste jetzt um die fünfzig sein. Eines war
     merkwürdig, aber Isabel fiel es erst auf, nachdem sie einige der anderen Dateien in Augenschein

Weitere Kostenlose Bücher