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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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die Sekretärin, die vom Alter her ihre Mutter hätte sein
     können, einige weitere hochqualifizierte Angestellte und schließlich jene, deren Abteilung nicht angegeben war. Kurz vor sieben
     rief Isabel im 26.   Stockwerk an. Sie wartete fast eine Minute lang, doch niemand bequemte sich abzunehmen. Sie war es zwar nicht gewöhnt, Gefälligkeiten
     in Anspruch zu nehmen, aber Gerard von der Personalabteilung hatte ihr doch erst vor ein paar Tagen geholfen. Ihn würde sie
     noch einmal kontaktieren.
    Er freute sich, so bald wieder von Isabel zu hören.
    »Da hast du mich gerade noch erwischt, ich wollte schon gehen. Was kann ich für dich tun?«
    Isabel lächelte. Vielleicht hatte sie ja Glück. Aufs Geratewohl nannte sie einige der Namen auf der Liste und erklärte, sie
     müsse die Betreffenden so schnell wie möglich kontaktieren, habe aber die Telefonnummern nicht und wisse auch nicht, wo sie
     zuletzt tätig gewesen seien. Vielleicht auf dem 26.   Stockwerk. Vom anderen Ende der Leitung kam Tastaturgeklapper, dann etwas überraschtes Gemurmel.
    »Isabel, bist du noch dran? Die Leute sind tatsächlich auf dem 26.   Stock eingetragen, aber anscheinend sind sie dann noch mal befördert worden.«
    »Und wo arbeiten sie jetzt?«
    »Äh   …Das kann ich den Einträgen nicht entnehmen.«
    Isabel verschlug es für einen Moment die Sprache.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich finde hier nichts, keine Personaldatei, keine Angaben zur Versetzung, gar nichts. Vielleicht steht das in irgendeiner
     zugangsbeschränkten Datenbank. Ich könnte höchstens   … Isabel, brauchst du die Info dringend?«
    Isabel zögerte. Gerard war ein netter Typ und hatte sich schon sehr hilfsbereit gezeigt. Sie wollte ihn nicht in Schwierigkeiten
     bringen. Doch zweifellos war das hier ihre einzige Chance, herauszufinden, warum Carlos ausgerechnet diese Dateien zusammengestellt
     hatte.
    »Also, es würde mich schon weiterbringen.«
    Die Antwort war hoffentlich ausweichend genug, dass Gerard sich nicht unter Druck gesetzt fühlte.
    »Na gut, ich seh mal, was ich machen kann. Morgen früh rufe ich dich an, so oder so.«
    Isabel bedankte sich und sagte, sie würde sich gerne dafür erkenntlich zeigen. Gerard antwortete, eine Einladung zum Essen
     wäre nett – Hauptsache, möglichst weit weg von der Kantine. Er sagte das im Scherz, lachte jedoch nicht.
    Bevor Isabel ging, druckte sie sich die Personaldateien aus und steckte sie in eine Mappe. Sie durften auf keinen Fall in
     fremde Hände gelangen. Und genau aus dem Grund wollte sie auchkeine Kopien in ihrem Büro zurücklassen. Jetzt lagen sie in der Tasche auf dem Beifahrersitz, in einer Mappe, fünfzehn unbekannte
     Gesichter, die ins Dunkle lächelten.
    Isabel bog rechts ab und war heilfroh, nicht erst suchen zu müssen wie am Vortag. Diesmal kannte sie den Weg zum »Haus der
     Verrückten«, wie das Mädchen es genannt hatte. Am Ende der Straße suchte Isabel sich einen Parkplatz und stieg aus. Auch heute
     war niemand unterwegs. In den Fenstern war kein Licht zu sehen, aus keinem der Gebäude drang ein Laut. Sie ging bis zu der
     Tür, an der sie tags zuvor vergeblich gewartet hatte, und klingelte entschlossen. Diesmal würde sie nicht gehen, bis sie erfuhr,
     warum Carlos sie hierher geschickt hatte.
     
    Was die Adresse angeht – ich glaube, das wird Dir guttun.
     
    Sie würde nicht lockerlassen, bis sie wusste, was diese Worte zu bedeuten hatten. Doch es geschah dasselbe wie am Vortag:
     Erst hörte Isabel, wie ein Möbelstück über den Boden geschleift wurde. Dann folgte ein leises Klicken, und sie war sicher,
     dass jemand sie durch den Spion hindurch beobachtete.
    »Guten Tag«, sagte sie und sah direkt auf das kleine Guckloch. »Hören Sie, mein Name ist Isabel Alvarado. Mein Freund Carlos
     Visotti hat mir diese Adresse gegeben. Kennen Sie ihn? Er hat mir gesagt, ich soll hierherkommen. Würden Sie mir vielleicht
     aufmachen?«
    Keine Antwort. Wer auch immer da sein mochte, er blieb hinter seinem Guckloch und scherte sich offenbar herzlich wenig darum,
     was Isabel ihm zu erzählen hatte. Sie klingelte noch einmal. Der Hauseingang war nicht überdacht, und sie spürte, wie Nieselregen
     ihr langsam und beharrlich das Haar nässte.
    »Jetzt hören Sie doch zu«, sagte Isabel, »ich weiß nicht, warum Carlos mir diese Adresse gegeben hat, aber er hatte zweifellos
     seine Gründe dafür. Bestimmt können Sie mir helfen. Bitte, ich muss herausfinden   …«
    Das Guckloch wurde von

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