Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
Vom Netzwerk:
eine Freundin.«
Ja, ganz bestimmt
.
    Sobald wir in seinem Eckbüro waren, knallte ich die Tür hinter uns zu. »Bist du jetzt total durchgedreht, Lindsay?«, sagte Steve.
    Ich stieß ihn auf einen Stuhl. »Ich will wissen, wo sie ist, Steve.«
    »Jill?« Er drehte die Handflächen nach oben, offenbar ehrlich verwirrt.
    »Spar dir das Affentheater, du Scheißkerl. Jill wird
vermisst
. Sie ist gestern nicht zum Dienst erschienen. Ich will wissen, wo sie ist.«
    »Ich habe keinen blassen Schimmer«, sagte Steve. »Wie meinst du das – ›vermisst‹?«
    Bald würde ich den letzten Rest meiner Beherrschung verlieren. »Sie hatte gestern eine Verhandlung, Steve«, sagte ich, »und sie ist nicht erschienen. Hört sich das nach Jill an? Und gestern Abend ist sie auch nicht nach Hause gekommen. Ihr Auto ist da. Und ihre Aktentasche.
Irgendjemand muss sich Zugang zum Haus verschafft haben

    »Ich glaube, du bringst da die Fakten ein bisschen durcheinander«, sagte Steve und lachte höhnisch. »Jill hat mich vorgestern Abend an die Luft gesetzt. Sie hat die Schlösser von Fort Bernhardt ausgetauscht.«
    »Verarsch mich nicht, Steve. Ich will wissen, was du getan hast. Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?«
    »Wie wär's mit vorgestern Abend gegen elf, und zwar durch mein eigenes Wohnzimmerfenster, während ich wie blöd an die Tür gehämmert und vergeblich versucht habe, in mein eigenes Haus zu kommen?«
    »Sie hat mir gesagt, du hättest gestern Morgen noch mal vorbeikommen sollen, um deine Sachen zu holen.«
    Seine Augen blitzten zornig auf. »Was ist das hier, verdammt noch mal – ein Verhör?«
    »Ich will wissen, wo du den Freitagabend verbracht hast« – ich durchbohrte ihn mit meinem Blick –, »und ich will ganz genau wissen, was du heute früh gemacht hast, bevor du ins Büro gefahren bist.«
    »Was geht denn hier vor? Brauche ich etwa einen Anwalt, Lindsay?«
    Ich beantwortete seine Frage nicht, sondern machte auf dem Absatz kehrt und stürmte hinaus. Und ich hoffte inständig, dass Steve
keinen
Anwalt brauchen würde.
64
    Wut war nicht mehr die richtige Bezeichnung für das Gefühl, das an meinen Nerven zerrte, als ich zum Justizpalast zurückfuhr. Es ging tiefer. Jedes Mal, wenn ich in den Rückspiegel schaute und mir dabei für eine Sekunde selbst in die Augen sah, musste ich denken:
Diesen Blick kenne ich
.
    Und zwar von der Arbeit. Ich kannte ihn von den Gesichtern der Eltern und Ehefrauen, die einen ihrer Lieben vermissten. Diese stumme Panik, wenn etwas Schreckliches passiert ist, aber der letzte Akt des Dramas noch nicht über die Bühne ge gangen ist.
Bleiben Sie ruhig
, sagen wir den Leuten dann regelmäßig.
Es kann alle möglichen Erklärungen geben. Noch ist es zu früh
.
    Und das versuchte ich mir jetzt ebenfalls einzureden, während ich zum Büro zurückfuhr. Bleib ruhig, Lindsay. Jill könnte jeden Moment auftauchen...
    Aber dann sah ich wieder mein Gesicht im Rückspiegel, und ich musste unwillkürlich denken:
Der gleiche Blick
...
    Im Justizpalast angekommen, rief ich als Erstes bei Ingrid Barras an, Jills Haushälterin. Doch sie hatte gerade einen Termin in der Schule ihrer Kinder. Ich schickte Lorraine und Chin los, um in Jills Nachbarschaft in Buena Vista Park von Haus zu Haus zu gehen und zu fragen, ob irgendjemand etwas Verdächtiges beobachtet hatte. Ich ordnete sogar ein Protokoll von Jills Handyverbindungen an.
    Irgendjemand
musste sie doch angerufen haben.
Irgendjemand
musste sie gesehen haben. Es war nicht zu begreifen, dass sie spurlos verschwunden sein sollte. Das passte nicht zu Jill. Absolut nicht.
    Ich gab mir alle Mühe, mich auf das Bild von Stephen Hardaway zu konzentrieren, das sich im Laufe des Tages aus diversen Einzelinformationen zusammenzusetzen begann. Das FBI war schon seit zwei Jahren hinter Hardaway her, und selbst wenn er nicht auf der Liste der meistgesuchten Personen stand, war er doch dicht genug dran, um jetzt im Brennpunkt des Verdachts zu stehen.
    Aufgewachsen war er in Lansing, Michigan. Nach der High School war er nach Westen gegangen und hatte sich am Reed College in Portland eingeschrieben. Zu dieser Zeit tauchte er zum ersten Mal in den Polizeiakten auf. In Oregon war er wegen vorsätzlicher Körperverletzung verhaftet worden, begangen während einer Anti-WTO-Demonstration an der dortigen Universität. Dann tauchte er als Tatverdächtiger bei Banküberfällen in Eugene und Seattle auf. 1999 wurde er in Arizona erwischt, als er einem Gangmitglied

Weitere Kostenlose Bücher