Der 50-50 Killer
nicht erfreut, mich kennenzulernen. Das verletzte mich nicht.
»Detective Nelson ist der Mann, der Scott Banks befragen muss«, sagte Mercer. »Könnten Sie ihm einen Rat geben, wie er es angehen soll? Was hat er zu erwarten?«
Trotz der Geräusche hinter dem Vorhang, wo Apparate piepsten und die Schritte Vorbeieilender zu hören waren, schien es sehr still in dem Zimmer zu sein. Nach einem Augenblick legte Li das Klemmbrett auf seinen Schoß, rieb sich den Nasenrücken und seufzte.
»Okay«, sagte er. »Lassen wir den Unsinn. Egal aus welchem Grund, ich will nicht, dass dieser Patient zu diesem Zeitpunkt verhört wird. Es ist nicht in seinem Interesse, und ich habe ihm gegenüber eine Fürsorgepflicht. Er braucht Ruhe, sollte nicht gestört werden und muss Zeit haben, sich zu erholen.«
»Zur Kenntnis genommen.« Ich erkannte Mercers Tonfall. Die Angelegenheit war entschieden, und er widmete seine Aufmerksamkeit dem nächsten Hindernis, um das er sich nun kümmern musste. Er wischte tatsächlich Scott Banks’ Wohlergehen einfach beiseite: »Das kann er alles morgen haben. Und Jodie hoffentlich auch.«
»Das ist der entscheidende Faktor, weshalb ich Ihnen erlaube, doch mit ihm zu sprechen.« Li hielt danach einen Moment inne, damit Mercer seine Worte genau zur Kenntnis nehmen konnte. Doch er wurde enttäuscht. »Solange meine Einwände zur Kenntnis genommen werden.« »Gut. Haben Sie Sicherheitsleute hier?«
»Ja.«
»Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass einer vor Banks’ Zimmer Wache hält? Es ist unwahrscheinlich, dass er gegenwärtig in Gefahr ist, aber wir müssen sicher sein.«
»Natürlich.«
»Okay.« Mercer stand auf. »Jetzt brauchen wir noch einen Raum. Ich denke, manche von uns werden den größten Teil der Nacht hier sein, es wäre deshalb sehr praktisch, einen Raum zu haben, wo wir uns einrichten und von dem aus wir arbeiten könnten.«
Eigentlich war das gar keine Frage, aber Li nickte trotzdem.
»Ich sehe zu, was ich tun kann.«
»Vielen Dank, Doktor.«
»Ich bin gleich wieder da.«
Er zog den Vorhang beiseite und verließ den Warteraum. Als er fort war, schloss Mercer den Vorhang wieder und wandte sich an uns.
»Okay«, sagte er. »Fällt euch dazu was ein?«
Mein erster Gedanke war, wie müde er plötzlich wirkte. Er hatte für Doktor Li eine gute Schau abgezogen, aber die letzten paar Stunden schienen ihn erschöpft zu haben. Teilweise lag es wohl an der Beleuchtung in diesem Raum, die seine Haut blass und wächsern und die Partie um seine Augen wie dunkle Höhlen erscheinen ließ, doch es war nicht nur das. Sein Körper war zusammengesackt wie in völliger Erschöpfung, und sein Gesichtsausdruck schien zu schlaff. Außerdem bewegte er sich kaum, nur wenn es unbedingt nötig war.
Andererseits sahen wir wahrscheinlich alle so aus.
Pete stand an die Wand gelehnt da und starrte auf seine Füße. Ohne aufzusehen, sagte er langsam: »Er hat seine Vorgehensweise total verändert.«
Mercer nickte. »Die beiden in den Wald zu bringen statt sie in ihrer Wohnung festzuhalten. Ja. Er hat den Ablauf des Spiels geändert. Und wir haben gerade die nächste Phase erreicht. Was ist neu an diesem Abschnitt? Na los, Pete, schlaf mir nicht ein. Erzähl uns, was passiert ist.«
Pete löste sich langsam von der Wand und setzte sich auf das Bett. Er schaute zu Boden und fing an, seine großen Hände zu reiben, als wolle er sie in der warmen, verbrauchten Luft waschen.
»Banks wird aus seiner Wohnung entführt«, sagte er. »Wahrscheinlich wird er irgendwohin in den Wald gebracht, zusammen mit seiner Freundin. Er wird eine Zeitlang gefoltert, läuft durch den Wald und kommt bis zur Straße.«
»Kurz und bündig.« Mercer starrte auf den Scheitel seines Stellvertreters hinunter. »Okay. Banks wurde gefoltert, es besteht also zumindest eine Verbindung zwischen diesem Verbrechen und den vorhergehenden. Wenn wir annehmen, dass der Killer sein übliches Spielchen spielt, dann ist Banks vorzeitig hier bei uns, oder? Es ist noch nicht Tagesanbruch. Und ich glaube, es gibt zwei mögliche Erklärungen dafür. Greg?«
Greg zuckte die Schultern. »Er ist entkommen?«
»Reiß dich zusammen, Greg. Das ist eine. Mark?«
»Der Täter hat ihn laufenlassen«, sagte ich.
»Genau. Das Spiel war zu Ende, und Scott Banks hat sich entschieden, seine Freundin aufzugeben. Was bedeuten würde, dass wir noch bis Tagesanbruch Zeit haben, zu verhindern, dass sie ermordet wird.«
Stille herrschte, während wir dies
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