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Der 7. Rabe (German Edition)

Der 7. Rabe (German Edition)

Titel: Der 7. Rabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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Geschrei.
    „Nicht einmal von dir hätte ich so etwas erwartet!“ Kelter spuckte Raj vor die Füße. Zahlreiche andere ehemalige Kommilitonen zeigten ähnlich deutlich ihre Verachtung. In erster Linie galt die Aufregung allerdings Farres.
    „Wie KANN er es wagen!“
    „… gehört verboten!“
    „… schwöre, ich rieche das Mal, der Wolf hat ihn versklavt!“
    „Werft sie raus, das ist pervers!“
    Farres, Raj und seine vier Brüder wurden bedrängt und es hätte nicht viel gefehlt, bis es zu den ersten Handgreiflichkeiten gekommen wäre. Doch da erhob sich eine gewaltige tiefe Stimme, die die gesamte Halle mit Leichtigkeit erfüllte:
    „RUHE!“
    Alles wirbelte zu dem Altehrwürdigem herum, der mit langsamen Schritten durch die Menge auf sie zukam. Nie zuvor hatte Raj erlebt, dass der Alte anders als im Flüsterton gesprochen hatte. Das ausgerechnet er den Anlass dafür bot, war die Geschichte seines Lebens – er befand sich stets dort, wo der Ärger am größten war.
    „Ihr beide kommt mit mir“, wisperte der Altehrwürdige und blickte dabei ihn und Farres an. „Deine Brüder werden warten. Und alle anderen finden gewiss etwas Sinnvolles zu tun.“
    Binnen weniger Herzschläge löste sich die Meute auf. Raj streckte die Hand nach seinem Liebsten aus und fühlte sich sofort besser, als Farres sie ergriff. Sie hatten beide verdrängt, dass es Wolfswandler an der Akademie gab, die das Mal wittern und seine Bedeutung verstehen konnten. Zu sehr waren sie darauf fixiert gewesen, das Richtige tun zu wollen.
    Mit gesenktem Kopf betraten sie das Refugium des Altehrwürdigen. Räumlichkeiten, die Raj in den vergangenen fünf Jahren viel zu oft hatte betreten müssen.
    „Setzt euch.“ Sie folgten dem Befehl und nahmen auf zwei Stühlen Platz, ohne einander loszulassen.
    „Erst wenige Wochen ist es her, dass du in allen Ehren entlassen von dieser Akademie geflohen bist, Raj Rajadassohn“, flüsterte der Altehrwürdige. Er stand mit dem Rücken zu ihnen und blickte aus dem Fenster seines zwar peinlich geordneten, aber überfüllten Raumes. Bei all den Schriften und Büchern, die jeden Fingerbreit der Wände einnahmen, war es ein Wunder, dass noch eine Bibliothek benötigt wurde. Dazu gab es Kunstwerke und Wunderlichkeiten aus allen Landen, von allen Wandlervölkern. Sammelstücke eines langen Lebens.
    „Du warst frohen Mutes, als du deinen Abschied nahmst und konntest es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Meine Frage, ob du jemals wiederkommen möchtest, hast du verneint.“
    „Erfahrung, Fortschritt und Ruhm werden auf Irrtümern begründet“, erwiderte Raj leise. Ein Zitat, das seine Lehrmeister mit Leidenschaft wiederholt hatten.
    „Alles Übel dieser Welt, von Streit und Krieg zu Verrat und Mord, beginnt mit dem Willen, das Beste tun zu wollen“, hielt der Altehrwürdige dagegen. Er stand plötzlich vor ihnen, obwohl er sich nicht bewegt zu haben schien, und berührte das Mal an Rajs Halsbeuge.
    „Erzähle mir, warum du diesen jungen Mann zu deinem Leibeigentum gemacht hast, Farres Eikronssohn. Ich sehe, dass euch beide innige Zuneigung verbindet, sonst hätte ich euch nicht erlaubt zu bleiben. Dass Raj dieses Mal trägt, wusste ich bereits gestern.“
    Die Mundwinkel des Altehrwürdigen zuckten. War das etwa ein Lächeln gewesen, das sich beinahe auf dieses ewig ernste Gesicht geschlichen hätte? Nein, vollkommen undenkbar!
    Farres erzählte die gesamte Geschichte, vom Augenblick an, wo Raj aufgrund des Unwetters an der Nande landen musste bis zu ihrer Ankunft bei der Akademie. Weder die Hilfe der Kolkraben, noch die Schlangenwandler und schon gar nicht Ephrim ließ er unerwähnt.
    „Es gibt Legenden, die weniger spannend zu lesen sind als das, was euch widerfahren ist“, murmelte der Altehrwürdige am Schluss. Er musterte Farres, der dem Blick standhielt, und sagte überraschend:
    „Du hast eine Frage, wie ich sehe?“
    Farres zögerte, bevor er den Kopf schüttelte.
    „Meine Witterung verwirrt dich. Es gibt keinen Grund, das nicht zuzugeben.“
    Der Altehrwürdige schritt zurück zum Fenster, erneut mit dem Rücken zu ihnen gewandt. Wollte er nicht, dass sie seine Mimik lesen konnten?
    „Ich bin ein Wolfswandler, was allgemein bekannt ist. Andernfalls hätte ich das Mal nicht erkennen können. Und ich bin ein Pferdewandler, was heutzutage niemandem mehr bekannt ist.“
    Auf Rajs erstaunten Ausruf hin wandte der alte Mann sich um.
    „Ja, ich bin die Frucht der Liebe zweier Völker, die

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