Der 8. Tag
denken, brach jetzt ü ber sie herein. Sie schauderte bei dem Gedanken an die Fruchtwasserpunktion und wie sie fast ohnm ä chtig geworden war, als die lange Stahlnadel, die nach Ma ß gabe des Ultraschallbildes gef ü hrt wurde, in ihren K ö rper eingedrungen war. Es war eines der unangenehmsten Dinge, die ihr je widerfahren waren. Von diesem Augenblick an hatte sie sich vorgenommen nicht an ihre Schwangerschaft zu denken, bis das Ergebnis der Unte r suchung vorliegen w ü rde, und dann nur, wenn alles in Or d nung w ä re. Bis dahin w ü rde sie alles verdr ä ngen: Sie w ä re nicht schwanger, es w ü rde kein Kind geben, alles war nicht wahr.
Sie lie ß sich ein Bad einlaufen, legte sich ins Wasser und schloss die Augen. Sie musste eingeschlafen sein, denn als N ä chstes stellte sie fest, dass ihr nach der Uhr, die sie auf dem Rand der Badewanne abgelegt hatte, noch zw ö lf Minuten blieben sich anzukleiden und rechtzeitig f ü r die Er ö ffnung s veranstaltung des Wochenendes nach unten zu gehen.
Ted hatte wie angek ü ndigt den Sitz neben sich freigehalten und schaute sich nerv ö s nach ihr um. Tessa dr ä ngte sich zu ihm durch, wobei sie dauernd alte Bekannte begr üß en musste.
» Ich muss dir etwas sagen « , fl ü sterte er in ihr Ohr. » Ich habe gerade einen Anruf aus Los Angeles bekommen … «
Er kam nicht weiter, denn John Redway stand unter verei n zeltem Applaus, der mehr wie eine freundliche Aufforderung klang, auf und begann den Text, den er vorbereitet hatte, vo r zutragen. Er sprach ungef ä hr zwanzig Minuten lang dar ü ber, dass der Reizaustausch von Nervenzellen im Gehirn nicht mit den Schaltvorg ä ngen in einem Computer vergleichbar ist, da die Existenz quantenmechanischer Vorg ä nge, so seine Theorie, das Gehirn zu etwas bef ä higte, was nicht in einem Computer simuliert werden konnte.
Ted war einer der Ersten, der die ganze Theorie hinterfra g te. » Ich m ö chte nur eine Sache hier ganz deutlich feststellen, John « , begann er. » Alles, was Sie hier vorgetragen haben, beruht zu gleichen Teilen auf Vermutung und Beobachtung, richtig? «
Redway, ein untersetzter Mann mit dichtem Haarschopf, der eher wie ein englischer Bauer denn wie ein Mathematiker aussah, stimmte dem widerstrebend zu.
» Also vertreten Sie die Ansicht « , sprach Ted weiter, » aus Gr ü nden, die im Wesentlichen emotionaler Natur sind, weil Ihnen die Vorstellung eines k ü nstlichen Bewusstseins nicht gef ä llt, dass ein Bewusstsein sich nur in einem menschlichen Gehirn entwickeln kann. «
» Ich ziehe die Bezeichnung biologisches Gehirn vor « , gab Redway m ü rrisch zur ü ck, » und meine Gr ü nde daf ü r sind, dass bis heute noch nichts anderes es geschafft hat, seine F ä higkeiten auch nur ann ä hernd zu kopieren. «
Tessa fragte sich, wie bald sie den Mut haben w ü rde ihr e i genes Computerprogramm den Leuten hier im Saal vorzuste l len. Die Vorschriften ihres Instituts lie ß en es nicht zu, dass sie ihre Forschungsergebnisse ohne Erlaubnis ö ffentlich machte. Das war eigentlich keine gro ß e Sache, aber etwas hatte sie bis jetzt noch davor zur ü ckgehalten. Ihr Gef ü hl sagte ihr, dass sie noch mehr Zeit brauchte um sicherzugehen, das entdeckt zu haben, was sie meinte entdeckt zu haben. Dar ü ber hinaus wollte sie sich die Schmach ersparen ein paar w ü ste Behau p tungen aufzustellen, die einer genauen Pr ü fung nicht stan d hielten; die Erinnerung an das Debakel mit der kalten Ker n verschmelzung in den Achtzigerjahren war ihr Warnung g e nug.
» Der Punkt ist doch « , sagte ein anderer zu Redway und griff Teds Argumentationskette auf, » dass die Unsch ä rfe in der Bestimmung von Quantenbewegungen diese der Beobachtung entzieht und es nur ein leichter Weg ist, etwas, das wir verst e hen k ö nnen, zum Beispiel einen Algorithmus, durch etwas zu ersetzen, was man nicht verstehen kann. Anders ausgedr ü ckt, es handelt sich hier doch nur um eine weitere unberechtigte Mystifikation. «
» Ich w ü rde die Anprangerung der Fehler in der Theorie, dass die Erde eine Scheibe ist, nicht eine unberechtigte Myst i fikation nennen und deshalb verstehe ich auch nicht, wie Sie diesen Begriff auf das anwenden, was ich hier vorgetragen habe. «
Tessa l ä chelte ü ber die Sch ä rfe in Redways Antwort. Es w ü rde ihr Spa ß machen, ihn mit ihren Forschungsergebnissen zu konfrontieren. Aber vielleicht gab es eine M ö glichkeit g e nau das zu tun ohne selbst schon in die ö ffentliche
Weitere Kostenlose Bücher