Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
dass er die Möglichkeit, am Ende doch den Kürzeren zu ziehen, gar nicht ernsthaft erwog.
Selbst hier in der sonnendurchfluteten Küche erinnerte er sich ganz genau an ihre rückhaltlose Hingabe – ihr anfängliches Zögern, aus dem bald hemmungslose Leidenschaft erwachsen war. Ganz gleich, was sie behauptete, sie war eine sehr komplexe Persönlichkeit voller Widersprüche und Geheimnisse. Und anders hätte er es auch gar nicht gewollt. Seit er sich in sie verliebt hatte, mochte er ihre mitunter verwirrende Unberechenbarkeit nicht missen. Das Schicksal hätte ihm auch eine langweilige Frau in die Arme spielen können.
Ja, Olivia Carmichael war die richtige Frau für ihn, und er war der richtige Mann für sie. Er würde sich in Geduld üben müssen, bis er sie davon überzeugt hatte – aber irgendwann würde er sie davon überzeugen. Lächelnd schlug Thorpe die Eier in die Pfanne.
Wie schon am Abend zuvor fühlte sich Liv von dem Duft, der aus der Küche strömte, magisch angezogen. Sie blieb in der Tür stehen und starrte fasziniert auf die Platte mit gebratenem Speck, Spiegeleiern und goldgelbem Toast.
»Thorpe«, sagte sie und schnüffelte genießerisch, »du bist wirklich ein Tausendsassa.«
»Merkst du das erst jetzt?«, konterte er grinsend. »Komm, schnapp dir zwei Teller.« Er nickte in Richtung Kühlschrank. »Lass uns anfangen, ehe alles kalt wird.«
Liv tat, wie ihr geheißen, und nahm auch noch Besteck mit,
ehe sie ihm folgte. »Ich muss zugeben«, sagte sie, als sie sich an den Tisch setzte, »dass ich gewaltigen Respekt vor jemandem habe, der kochen kann und auch noch alles gleichzeitig auf den Tisch bringt.«
»Was isst du denn zu Hause?«
»So wenig wie möglich.« Sie nahm sich Speck und Eier. »Meistens kaufe ich diese Schachteln, auf denen ›Komplettmenue‹ steht. Manche schmecken gar nicht so übel.«
»Liv, hast du überhaupt eine Ahnung, was in diesen Fertigmenüs alles drin ist?«
»Bitte, Thorpe. Nicht während ich esse.«
Er lachte und schüttelte amüsiert den Kopf. »Hast du nie kochen gelernt?«
Liv zuckte mit den Achseln. Sie erinnerte sich an die Mahlzeiten, die sie während ihrer Ehe zubereitet hatte. Sie hatte es immer eilig gehabt – nach dem College meist schnell ein Stück Fleisch in die Pfanne geworfen, ehe sie in den Sender zur Nachtschicht geeilt war. Sie hatte recht gut gekocht, manchmal sogar ausgesprochen gut. Aber sie hatten immer so wenig Zeit und so viele Verpflichtungen gehabt.
»Als ich in dem entsprechenden Alter war, hat meine Mutter Kochen nicht als wichtig erachtet. Sie hat sogar die Nase gerümpft, wenn ich mich ab und zu in die Küche geschlichen habe, um zu sehen, was da so vor sich geht. Das war nicht unser Territorium.«
Thorpe bestrich einen Toast mit Butter und überlegte dabei, wie grundverschieden ihr jeweiliger familiärer Hintergrund war. Er und seine Mutter waren sich sehr nahe gewesen, aus reiner Notwendigkeit und aus Liebe. Liv und ihre Mutter hingegen hatten offenbar wenig miteinander zu tun gehabt, vielleicht aus mangelndem Verständnis.
»Fährst du oft nach Connecticut?«
»Nein.«
Dieses eine Wort war wie ein Signal, das bohr nicht weiter nach verhieß. Thorpe respektierte die Botschaft und wechselte das Thema.
»Und, wie sieht dein Tagesplan für heute aus?«
»Ziemlich kompakt. Um elf besucht die First Lady einen
Kindergarten. Dell landet um eins auf dem International Airport, obwohl ich bezweifle, dass wir überhaupt in seine Nähe kommen. Und nachmittags findet diese Schulausschuss-Sitzung statt.« Sie schob die letzte Gabel mit Ei in den Mund. »Und ich muss eine neue Promo aufnehmen. Unser Boss macht sich Sorgen um die Einschaltquoten.«
»Tun sie das nicht alle?« Er musterte ihren sauber abgegessenen Teller. »Na, zumindest bist du jetzt einigermaßen gestärkt.«
»Wenn du damit durch die Blume ausdrücken willst, dass ich zu viel gegessen habe, so werde ich großzügig darüber hinwegsehen.« Liv stand auf und stapelte die Teller aufeinander. »Da du gekocht hast, werde ich abwaschen, während du dich anziehst.«
»Sehr demokratisch.«
Den Blick auf die Teller geheftet, erklärte sie: »Ich muss noch in meine Wohnung und mich umziehen, ehe ich in den Sender fahre. Ich nehme ein Taxi.«
»Sei nicht albern.«
Etwas unsicher hob Liv den Tellerstapel auf. »Thorpe, es wäre doch Unsinn, wenn du extra durch die halbe Stadt fährst, und das noch in die entgegengesetzte Richtung. Viel einfacher …«
Thorpe
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