Der Anschlag - King, S: Anschlag
gegen ihre Schulter. Ich erinnerte mich an Als Bericht und fragte mich, ob Oswald hier das Gleiche zu seiner Frau gesagt hatte: Idi, suka! Geh, Schlampe.
Aber nein. Es waren Junes Windeln, die ihn ärgerten. Er riss sie ab – erst von den Armen, dann von den Beinen – und warf sie Marina zu, die sie ungeschickt auffing. Dann sah sie sich um, ob sie etwa beobachtet wurden.
Vada kam zurück und berührte Lees Arm. Er achtete nicht auf sie, wickelte nur den improvisierten Baumwollschal vom Hals der Kleinen und schleuderte ihn in Marinas Richtung. Der Schal fiel zu Boden. Sie bückte sich wortlos und hob ihn auf.
Robert gesellte sich zu den anderen und boxte seinen Bruder freundschaftlich an die Schulter. Das Ankunftsgebäude war jetzt fast menschenleer – die letzten ausgestiegenen Passagiere waren an den Familien Oswald vorbeigegangen –, sodass ich deutlich hörte, was er sagte: »Gib ihr ’ne Chance, sie ist eben erst angekommen. Sie weiß noch gar nicht, wo sie ist.«
»Sieh dir die Kleine an«, sagte Lee und hob June hoch, damit alle sie sehen konnten. Daraufhin fing das Baby schließlich an zu weinen. »Sie hat sie eingewickelt wie ’ne verdammte ägyptische Mumie. Weil man’s bei ihr daheim so macht. Ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Staraja baba! Alte Frau.« Er wandte sich mit der plärrenden Kleinen auf dem Arm Marina zu. Sie sah ängstlich zu ihm auf. »Staraja baba!«
Sie versuchte zu lächeln wie jemand, der wusste, dass der Witz auf seine Kosten ging, aber nicht genau, warum. Ich musste flüchtig an Lennie in Von Mäusen und Menschen denken. Dann erhellte ein Grinsen, großspurig und ein wenig schief, Oswalds Gesicht. So sah er fast gut aus. Er küsste seine Frau sanft auf die eine Wange, dann auf die andere.
» USA! «, sagte er und küsste sie noch einmal. » USA , Rina! Land der Freien und Heimat der Scheißtypen.«
Ihr Lächeln wurde strahlend. Er begann russisch mit ihr zu reden und gab ihr dabei das Baby zurück. Während sie June beruhigte, legte er einen Arm um ihre Taille. Sie lächelte immer noch, als sie aus meinem Blickfeld verschwanden, und legte sich die Kleine an die Schulter, um nach Lees Hand greifen zu können.
8
Ich fuhr nach Hause – wenn ich die Mercedes Street als mein Zuhause bezeichnen konnte – und versuchte, ein Nickerchen zu machen. Ich konnte nicht einschlafen, deshalb lag ich einfach nur mit hinter dem Kopf gefalteten Händen da, horchte auf den beunruhigenden Straßenlärm und sprach mit Al Templeton. Das war etwas, was ich in letzter Zeit ziemlich oft tat, wenn ich allein war. Für einen Toten hatte er immer viel zu sagen.
»Es war dumm, dass ich nach Fort Worth gekommen bin«, erklärte ich ihm. »Bei dem Versuch, die Wanze an das Tonbandgerät anzuschließen, kann ich leicht gesehen werden. Oswald selbst könnte mich sehen, und das würde alles ändern. Er ist sowieso schon paranoid, das hast du in deinen Notizen beschrieben. Er hat gewusst, dass KGB und MWD ihn in Minsk überwacht haben, und wird fürchten, dass FBI und CIA ihn hier beobachten. Und das FBI wird ihn tatsächlich überwachen – wenn auch nur zeitweilig.«
»Ja, du wirst vorsichtig sein müssen«, stimmte Al zu. »Das wird nicht einfach, aber ich vertraue auf dich, Kumpel. Deshalb habe ich dich überhaupt angerufen.«
»Ich will nicht mal in seine Nähe kommen. Am Flughafen ist mir schon bei seinem Anblick ganz anders geworden.«
»Ich weiß, dass du das nicht willst, aber es wird sich nicht vermeiden lassen. Als jemand, der fast sein Leben lang Koch war, kann ich dir sagen, dass noch kein Omelett zubereitet worden ist, ohne dass ein paar Eier zerschlagen wurden. Und es wäre ein Fehler, die sen Kerl zu überschätzen. Er ist kein kriminelles Superhirn. Außerdem ist er abgelenkt, vor allem von seiner übergeschnappten Mutter. Zu was wird er in nächster Zeit schon groß zu gebrauchen sein, außer dass er seine Frau anbrüllt und sie vielleicht sogar schlägt, wenn er so angepisst ist, dass ihm Brüllen nicht mehr reicht?«
»Ich glaube, dass er sie gern hat, Al. Zumindest ein bisschen, vielleicht sogar sehr. Trotz der Brüllerei.«
»Ja sicher, und es sind Kerle wie er, die ihre Frauen am ehesten ins Unglück reißen. Sieh dir Frank Dunning an. Kümmere dich einfach um deine Aufgabe, Kumpel.«
»Und was soll ich tun, wenn ich’s schaffe, das Tonbandgerät anzuschließen? Aufzeichnen, wie sie sich streiten? Ehestreitereien auf russisch? Das hilft mir bestimmt
Weitere Kostenlose Bücher