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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kileen Auto Repair sagte, der Ford brauche einen ganzen Motor und er wisse echt nicht, wo er einen passenden herbekommen solle.
    Ich griff meine noch solide (na ja … relativ solide) Geldreserve an und kaufte einen 1959er Chevy, den mit den unverwechselbaren Heckflossen. Es war ein guter Wagen, und Sadie war absolut begeistert von ihm, aber für mich war es nie mehr das Gleiche.
    Die Nacht zum zweiten Weihnachtstag verbrachten wir im Candlewood. Ich legte einen Stechpalmenzweig auf die Kommode und schenkte Sadie eine Strickjacke. Sie schenkte mir ein Paar Mokassins, die ich jetzt an den Füßen habe. Manche Dinge sind zum Behalten gedacht.
    Am zweiten Weihnachtstag aßen wir bei ihr zu Abend, und als ich den Tisch deckte, sah ich Dekes Wagen vorfahren. Das überraschte mich, weil Sadie nichts von einem Gast gesagt hatte. Noch überraschter war ich, als ich rechts Miz Ellie aussteigen sah. Wie sie mit verschränkten Armen dastand und meinen neuen Wagen begutachtete, zeigte mir, dass ich nicht der Einzige war, dem man die Gästeliste vorenthalten hatte. Aber – Ehre, wem Ehre gebührt – sie begrüßte mich mit gut gespielter Herzlichkeit und küsste mich auf die Wange. Sie trug eine gestrickte Skimütze, die sie wie ein gealtertes Kind aussehen ließ, und bedankte sich mit säuerlichem Lächeln, als ich sie ihr vom Kopf zog.
    »Ich hab das Memo auch nicht gekriegt«, sagte ich.
    Deke schüttelte mir enthusiastisch die Hand. »Fröhliche Weihnachten, George. Freut mich, dich zu sehen. Mann, hier riecht’s aber gut!«
    Er verschwand in der Küche. Wenig später hörte ich Sadie lachend sagen: »Nimm deine Finger da raus, Deke, hat deine Mama dich nicht richtig erzogen?«
    Ellie ließ mich nicht aus den Augen, während sie langsam die Knebel ihres Dufflecoats aufknöpfte. »Ist das klug, George?«, fragte sie. »Was Sadie und Sie tun – ist das klug?«
    Bevor ich antworten konnte, trug Sadie den Truthahn auf, mit dem sie seit unserer Rückkehr aus Kileen beschäftigt gewesen war. Wir setzten uns an den Tisch und bildeten mit den Händen einen Kreis. »Lieber Gott, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast«, sagte Sadie. »Und bitte segne unser Miteinander der Gedanken und der Herzen.«
    Ich wollte schon loslassen, aber sie hielt weiter meine Hand mit der Linken und Ellies mit der Rechten fest. »Und bitte schenke George und Ellie Freundschaft. Hilf George, sich an ihre Güte und Hilfsbereitschaft zu erinnern, und hilf Ellie, sich daran zu erin nern, dass es ohne George in dieser Stadt ein Mädchen mit schreck lich entstelltem Gesicht gäbe. Ich liebe sie beide, und es betrübt mich, Misstrauen in ihrem Blick zu sehen. Um Christi willen, amen.«
    »Amen!«, wiederholte Deke herzhaft. »Gutes Gebet!« Er zwinkerte Ellie zu.
    Ich glaube, Ellie wäre am liebsten aufgestanden und gegangen. Vielleicht war es der Hinweis auf Bobbi Jill, der sie davon abhielt. Oder vielleicht die Tatsache, wie lieb sie ihre neue Schulbibliothekarin inzwischen gewonnen hatte. Vielleicht hatte es sogar ein bisschen mit mir zu tun. Das bilde ich mir gern ein.
    Sadie beobachtete Miz Ellie ängstlich besorgt.
    »Dieser Truthahn sieht wirklich wundervoll aus«, sagte Ellie und hielt mir ihren Teller hin. »Geben Sie mir bitte eine Keule, George? Und seien Sie nicht zu sparsam mit der Füllung.«
    Sadie konnte verwundbar sein, und Sadie konnte unbeholfen sein, aber Sadie konnte auch sehr, sehr tapfer sein.
    Wie ich sie liebte!
    3
    Lee, Marina und June Oswald fuhren zu den de Mohrenschildts, um den Jahreswechsel zu feiern. Mir stand ein einsamer Abend bevor, aber als Sadie anrief und vorschlug, wir könnten in Jodie zum Silvestertanz in der Bountiful Grange gehen, zögerte ich zunächst.
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte sie. »Aber diesmal wird es besser als letztes Jahr. Wir machen es besser, George.«
    Also waren wir um acht Uhr abends dort und tanzten wieder unter den an der Decke hängenden Netzen voller Ballons. Die diesjährige Band nannte sich The Dominoes. Statt mit Surfgitarren à la Dick Dale wie die Band vom letzten Jahr trat sie mit vier Blechbläsern an, die aber auch mitreißend spielten. Es gab wieder die beiden großen Glasschalen mit rosa Limonade und Ginger Ale, eine ohne, eine mit. Es gab dieselben Raucher, die in der kalten Nachtluft unter der Feuertreppe standen. Aber es war besser als letztes Jahr. Die allgemeine Stimmung war glücklich und erleichtert. Die Welt war im Oktober in einen nuklearen Schatten geraten

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