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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fragte sie, ohne die Augen zu öffnen. »Es ist scheußlich. «
    »Nein. Es ist nur ein weiteres Stück von dir, das ich liebe, Sadie. Geh jetzt nach nebenan, damit ich das Bett beziehen kann.«
    Als ich fertig war, bot ich ihr an, mich neben sie zu legen, bis sie eingeschlafen war. Sie fuhr zusammen wie kurz zuvor, als ich die Tagesdecke herabgeschlagen hatte, und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht, Jake. Tut mir leid.«
    Langsam, mit kleinen Schritten, sagte ich mir, als ich im Morgengrauen durch die Kleinstadt zu Dekes Haus zurücktrottete. Langsam, mit kleinen Schritten.
    13
    Am 21. April erklärte ich Deke, dass ich in Dallas zu tun hätte, und bat ihn, bei Sadie zu bleiben, bis ich gegen neun Uhr zurückkäme. Er war gern dazu bereit, und um fünf Uhr abends saß ich in der South Polk Street auf einer Bank gegenüber dem Greyhound-Busbahnhof nahe der Kreuzung des Highways 77 mit der noch neuen vierspurigen I-20 . Ich las (oder tat zumindest so) Der Spion, der mich liebte, den letzten James Bond.
    Um halb sechs bog ein Kombi auf den Parkplatz neben dem Busbahnhof ab. Am Steuer saß Ruth Paine. Lee stieg aus, ging nach hinten und öffnete die Heckklappe. Marina stieg mit June auf dem Arm hinten rechts aus. Ruth Paine blieb hinter dem Steuer sitzen.
    Lee hatte nur zwei Gepäckstücke: einen olivgrünen Seesack und eine gepolsterte Gewehrtasche mit Tragegriffen. Damit ging er zu dem Scenicruiser, der mit laufendem Motor wartete. Nach einem flüchtigen Blick auf Lees Fahrkarte nahm der Busfahrer ihm den Seesack und das Gewehr ab und verstaute beides in dem offenen Gepäckabteil.
    Lee ging zur Tür des Busses, machte dort kehrt, umarmte seine Frau und küsste sie erst auf beide Wangen, dann auf den Mund. Er nahm June auf den Arm und kraulte sie unter dem Kinn. Die Kleine lachte. Lee lachte mit, aber in seinen Augen glitzerten Tränen. Er küsste June auf die Stirn, umarmte sie, gab sie Marina zurück und sprang dann die Stufen des Busses hinauf, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Marina ging zurück zu dem Kombi, neben dem Ruth Paine jetzt stand. June streckte die Arme nach der älteren Frau aus, die sie der Mutter lächelnd abnahm. Sie blieben noch eine Zeit lang stehen und sahen zu, wie weitere Fahrgäste einstiegen, dann fuhren sie davon.
    Ich blieb, wo ich war, bis der Bus pünktlich um 18 Uhr abfuhr. Das Licht der im Westen blutrot untergehenden Sonne glitt über die Fahrzielanzeige hinweg und machte sie für einige Augenblicke unsichtbar. Dann konnte ich sie wieder lesen, nur drei Wörter, die jedoch bedeuteten, dass Lee Harvey Oswald zumindest vorübergehend aus meinem Leben verschwinden würde:
    NEW ORLEANS EXPRESS
    Ich beobachtete, wie der Bus die Einfahrtsrampe zur I-20 East hinaufrollte, dann ging ich die zwei Straßen zu meinem geparkten Wagen und fuhr zurück nach Jodie.
    14
    Ahnungsdenken, wieder einmal.
    Ich zahlte die Maimiete für die Wohnung in der West Neely Street, obwohl ich eigentlich keinen konkreten Grund dafür hatte und anfangen sollte, überflüssige Ausgaben zu vermeiden. Dazu bewog mich allein ein undefinierbares, aber starkes Gefühl, dass ich eine Operationsbasis in Dallas behalten sollte.
    Zwei Tage vor dem Kentucky Derby fuhr ich mit der Absicht in die Greenville Street, fünfhundert Dollar auf Chateaugay zu setzen, allerdings nur auf Platz. Das, so überlegte ich mir, würde weniger auffallen, als wenn ich gezielt auf einen Sieg des Gauls setzte. Ich parkte vier Straßen vom Wettbüro Faith Financial entfernt und schloss meinen Wagen ab, was in diesem Teil der Stadt selbst um elf Uhr vormittags eine notwendige Vorsichtsmaßnahme war. Ich ging zielstrebig los, aber dann verlangsamte ich meine Schritte – wieder ohne konkreten Grund.
    Einen halben Block vor dem als Kreditvermittlung getarnten Wettbüro blieb ich ganz stehen. Ich konnte wieder den Buchmacher sehen – an diesem Vormittag ohne Augenschirm –, der am Türrahmen lehnend eine Zigarette rauchte. Wie er dort von den scharfen Schatten des Eingangs flankiert im hellen Sonnenschein stand, sah er aus wie von Edward Hopper gemalt. Dass er mich an diesem Tag sah, war ausgeschlossen, denn er starrte unentwegt eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkte Limousine an. Bei dem Wagen handelte es sich um einen cremefarbenen Lincoln mit grünem Kennzeichen. Über den Ziffern standen die Worte SUNSHINE STATE . Was nicht bedeutete, dass hier eine Harmonisierung stattfand. Was ganz sicher nicht bedeutete, dass er Eduardo

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