Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
Vom Netzwerk:
dass sie nicht da war, um wieder zu arbeiten, sondern um Persi zu verarzten.
    Und er war erwartungsgemäß entsetzt, als Pip wieder die Pflaster-Methode anwandte und ihn ohne Umschweife mit ihrer Bitte um mehr Urlaub konfrontierte. Die Vorstellung, die Praxis noch länger ohne Pip führen zu müssen, trieb ihm den kalten Angstschweiß auf die Stirn. Ihm war offensichtlich noch gar nicht aufgefallen, dass die Praxis abgesehen von der für jeden sichtbaren chaotischen Unordnung auch ohne ihren »ersten Steuermann«, wie er Pip nannte, wunderbar lief. Maggie kümmerte sich – wenn auch nicht ganz so effizient wie Pip – um die geschäftlichen Dinge, aber um ihn und seine Bedürfnisse kümmerte sich, wie er nicht ohne ein gewisses Selbstmitleid feststellte, niemand.
    Es machte ihn fertig, dass er hin und wieder tatsächlich selbst in seinen Terminkalender gucken musste, wo Pip doch sonst als eine Art sprechender Terminkalender fungierte und ihm alles Wissenswerte soufflierte. Er litt darunter, dass er explizit um den Kaffee bitten musste, der sonst wie von Zauberhand in regelmäßigen Abständen auf seinem Schreibtisch abgestellt wurde, und er drehte fast durch, weil er selbst ans Telefon gehen und seine Korrespondenz erledigen musste.
    Er machte ein so trauriges Gesicht und hatte so ausgeprägte Tränensäcke, dass er aussah wie ein großer, maßlos enttäuschter Bloodhound.
    So war Pip nun mal: Sie kümmerte sich wahnsinnig gut um Menschen, die sich wahnsinnig schlecht um sich selbst kümmerten. Was Chester fehlte, war persönliche Fürsorge. Und darum würde es sicher nicht leicht werden, von ihm grünes Licht für eine weitere Woche Urlaub zu bekommen.
    Der Bloodhound verwandelte sich umgehend in einen störrischen, laut i-ahenden Esel, doch als Pip ihn freundlich darauf hinwies, dass sie in den fünf Jahren, die sie bereits für Chester arbeitete, höchstens zehn Prozent des ihr zustehenden Urlaubs in Anspruch genommen hatte, blieb dem Muli nichts anderes übrig, als nachzugeben.
    »Aber nur eine Woche, Pip, ja? Nur eine Woche?«, fragte er immer wieder, als Pip Persi in Glendas Hände gab.
    »Wenn alles gut geht, nur eine Woche, ja ...«
    Am liebsten wäre sie ja sofort nach Hause gefahren, aber dann brachte sie es doch nicht über sich, sich davonzustehlen, solange Persi unterm Messer war. Also setzte sie sich an ihren Schreibtisch und erledigte etwas Papierkram, bis Glenda in ihrem perfekt gestärkten Kittel auftauchte und sie informierte, der Eingriff sei reibungslos verlaufen und Persi schlafe jetzt. Beim Gedanken daran, was sie nun gleich tun würde, lief Pips Adrenalinhaushalt auf Hochtouren. Sie schnappte sich ihre Tasche und wandte sich an Maggie:
    »Mags, wärst du so lieb, ein Auge auf Persi zu haben? Ich muss kurz was erledigen ...«
    »Aber mit dem größten Vergnügen!« Maggie zwinkerte ihr zu, holte einen neuen Lippenstift aus der Tasche und reichte ihn Pip. »Viel Spaß!«
    Zwar war sie nur wenige Tage weg gewesen, aber Pip hatte dennoch das Gefühl, Ewigkeiten nicht zu Hause gewesen zu sein.
    Unterwegs sprang sie noch schnell in den Supermarkt und kaufte – nicht ohne einen Anflug von einem schlechten Gewissen, weil die Mädels in Cornwall ja nun sehr knapp kalkulieren mussten – diverse Leckereien ein: je eine Flasche guten Rot- und Weißwein, Brathähnchen, Salat, frisches Brot und eine Vorratspackung von Nancys Lieblings-Sahnetörtchen, nur für den Fall, dass Pip sie bestechen musste, damit sie sich für zwei Stunden aus der Wohnung verkrümelte. Und für den Fall, dass Dan tatsächlich krank war, kaufte sie auch noch eine Flasche Red Bull und ein Kilo Weintrauben. Als sie an der Kasse stand, stellte sie sich bereits vor, wie sie ihm eine nach der anderen fütterte ... von Mund zu Mund ... oder vielleicht war er auch genug bei Kräften, um sie von ihrem Bauchnabel zu pflücken.
    Von Vorfreude beseelt, erreichte sie lächelnd das alte, dreistöckige Gebäude, in dessen zweiter Etage sie mit Nancy zur Miete wohnte.
    Ihr Lächeln wurde immer breiter, als sie sich auf dem Weg nach oben überlegte, ob sie wohl verwegen genug war, eine von Nancys Schwesterntrachten anzuziehen und ihm anzubieten, ihm mal das Fieber zu messen.
    Je näher sie der Wohnung und damit ihm kam, desto wohliger wurde ihr, und es kribbelte sie überall.
    Ihr war fast schon ein bisschen übel.
    Im Treppenhaus blieb sie einen Moment stehen, um sich wieder zu beruhigen, um zu Puste zu kommen und sich in Erinnerung zu

Weitere Kostenlose Bücher