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Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Titel: Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Solschenizyn
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Ausgaben sind mit den Einnahmen nie und nimmer in Einklang zu bringen, und es bleibt unserem jungen Arbeiter-und Bauernstaat (wie danach dem betagteren Volksstaat) nichts andres übrig, als diesen schmutzig-blutigen Sack auf dem Buckel mit sich herumzuschleppen.
    Und hier das Warum. Der erste entscheidendste Grund liegt im mangelnden Bewußtsein der Häftlinge, in der Nachlässigkeit des stumpfen Sklavenpacks. Von sozialistischer Opferbereitschaft wollen wir erst gar nicht reden, aber auch simplen kapitalistischen Fleiß erwartest du von ihnen umsonst. Die lauern nur darauf, die Schuhe zu zerreißen, um nicht zur Arbeit zu müssen; die Winde kaputtzumachen, ein Rad zu verbeulen, den Spaten zu zerbrechen, den Eimer im Schlamm zu versenken – damit sich bloß ein Anlaß bietet, eine Rauch-und Verschnaufpause einzulegen. Alles, was die Lagerleute für den heimatlichen Staat schaffen, ist unverhohlene und erstklassige Pfuscherei: Die von ihnen gebrannten Ziegel kann man mit der Hand brechen, die Farbe blättert, kaum aufgetragen, ab, der Stuck fällt herunter, Henkel reißen ab, eingerammte Pfähle fallen um, gezimmerte Tische wackeln und verlieren ihre Beine. Überall sind Fehler, überall ist Verdruß. Alle naselang müssen bereits angenagelte Deckel wieder aufgebrochen, bereits zugeschüttete Gräben wieder ausgehoben, bereits ausgeführte Wände mit Stemmeisen und Bohrern niedergerissen werden. In den fünfziger Jahren wurde dem Step-Lag eine nagelneue schwedische Turbine geliefert; bestens verpackt stand sie, wie in einem Häuschen, rundum von festen Stämmen geschützt. Winter war es, kalt, und was taten die verfluchten Seki? Verkrochen sich in diesem Blockhaus zwischen den Balken und der Turbine und zündeten dort ein Feuer an. Die Silberlötung der Flügel ging ab, und die Turbine kam auf den Mist. Hat drei Millionen siebenhunderttausend gekostet. Da bemüh dich ums Rentabilitätsprinzip!
    Und die Freien – dies der zweite Grund – tun, sobald sie in Sek-Nähe geraten, ebenfalls, als ginge sie das Ganze nichts an, als bauten sie nicht Eigenes, sondern für den fremden Onkel, und stehlen obendrein wie die Raben, ach, wie sie stehlen! (Da wurde ein Wohnhaus errichtet, die Freien ließen einige Badewannen verschwinden, die nun, versteht sich, in dieser und jener Wohnung fehlten. Was tun? Die Schlüsselübergabe steht bevor. Natürlich darf der Bauführer das Manko nicht eingestehen, feierlich geleitet er die Kommission zum Aufgang 1, versäumt nicht, in jedes Badezimmer reinzugehen, ihnen jede Badewanne zu zeigen. Führt die Kommission danach zu Aufgang 2, zu Aufgang 3, immer mit der Ruhe, und läßt kein Badezimmer aus. Unterdessen aber brechen flinke, gelehrige Seki unter der Anleitung eines erfahrenen Installateurs die Badewannen aus den Wohnungen im ersten Aufgang wieder heraus, tragen sie auf Zehenspitzen über den Dachboden zum Aufgang 4 und haben sie, ehe die Kommission dort auftaucht, auch schon eiligst da installiert und eingemauert. Und der Kunde, der soll sehen, wie er mit dem Schlamassel fertig wird … Eine gute Lustspielepisode wäre daraus zu machen, bloß daß die Zensur sie nicht durchlassen würde: Bei uns gibt’s nichts Komisches im Leben, alles Verlachenswerte geschieht im Westen!)
    Der dritte Grund liegt in der Unselbständigkeit der Häftlinge, ihrer Unfähigkeit, ohne Aufseher, ohne Lagerverwaltung, ohne Bewachung, Zone, Wachttürme, ohne die Lagerstellen – die PPTsch, die URTsch, die OTsch, die KWTsch – auszukommen, ohne die obersten Lagerinstanzen bis hin zum GULAG selbst, ohne Zensur, SchIso und BURs, ohne Pridurki, Bekleidungskammern und Magazine, in ihrer Unfähigkeit schließlich, sich ohne Konvoisoldaten und Wachhunde fortzubewegen. So ist denn der Staat gezwungen, für jeden arbeitenden Eingeborenen zumindest einen Aufpasser zu unterhalten (der aber eine Familie besitzt!). Ist auch gut so, wovon sollten sonst die Aufpasser leben?
    Kluge Ingenieure aber weisen noch auf eine vierte Ursache hin: Es seien ihnen, den Ingenieuren, bei ihren technischen Manövern gleichsam die Hände gebunden durch die Notwendigkeit, den Häftlingen auf Schritt und Tritt Stacheldraht für die Zone und Soldaten für die verstärkte Bewachung nachzuschicken, so käme es eben, daß jedes Vorhaben, beispielsweise die Landung am Ufer des Tas, zur Unzeit geschehe und viel zuviel Geld koste. Dies aber ist bereits ein objektiver Grund, somit eine Ausrede, nichts anderes. Zitiert die Ingenieure mal vors

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