Der Archipel in Flammen
Leute, die auf sie Jagd machen, auf falsche Fährte zu locken!" versetzte Kapitän Todros; "aber ich sage Ihnen: ein schönes Mittel gibt's, diesen Namen aus der Welt zu schaffen, nämlich: alle Kerle fangen und hängen, die ihn führen; und alle desgleichen, die ihn nicht führen! Bloß auf diese Weise entwischt der richtige Sakratif, wenn er existiert, dem Stricke nicht, der ihm mit vollem Rechte gebührt!"
"Kapitän Todros," fragte nun Henry d'Albaret, "sind Sie denn niemals auf Ihren ersten Kreuzfahrten mit der "Syphanta" oder auch auf andern Fahrten, die Sie gemacht haben, einer Sakolewa von hundert Tonnen begegnet, die unter dem Schilde "Karysta" segelt?"
"Niemals, Kommandant," antwortete Todros.
"Und Sie, meine Herren, auch nicht?" wandte sich der Kommandant an seine Offiziere.
Keiner von ihnen hatte je von einer Sakolewa "Karysta" gehört, und doch fuhren sie fast alle seit dem Beginn des Unabhängigkeitskrieges in diesen Gewässern.
"Der Kapitän dieser Sakolewa heißt Nikolas Starkos; auch dieser Name ist Ihnen nie zu Ohren gekommen?" fragte Henry d'Albaret weiter.
Keiner von den Offizieren hatte je solchen Namen gehört; wobei übrigens im Grunde kaum etwas Verwunderliches war, denn es handelte sich ja doch bloß um einen bloßen Kauffahrteikapitän, wie man ihrer in den Levantehäfen zu Hunderten begegnet. Ganz unklar meinte sich jedoch Kapitän Todros zu besinnen, den Namen Starkos einmal in Arkadia in Messenien, als er dort vor Anker lag, gehört zu haben, und zwar mußte so, wenn er sich nicht sehr irrte, der Kapitän eines jener Schmugglerschiffe heißen, die den Transport der von den türkischen Behörden in Sklaverei verkauften Kriegsgefangenen an die Küsten der Berberei übernehmen.
"Hm, das kann aber der Starkos nicht sein, nach welchem Sie fragen!" setzte er hinzu; "Sie sagen ja, der habe eine Sakolewa geführt? mit einer Sakolewa kann niemand solche Schmuggelgeschäfte treiben!"
"Allerdings nicht," pflichtete Henry d'Albaret bei und ließ das Gespräch fallen.
Daß ihm Nikolas Starkos in Gedanken lag, rührte daher, weil ihm das undurchdringliche Geheimnis von dem zwiefachen Verschwinden Hadschinas und Andronikas nicht aus den Gedanken kam. Diese beiden Namen wichen nun in seiner Erinnerung nicht mehr von einander.
Um den 25. März herum befand sich die "Syphanta" auf Höhe der Insel Samothrake, sechzig Meilen nördlich von Scio, nachdem sie das ganze zwischenliegende Küstengebiet aufs sorgsamste – die Schlupfhäfen, wohin sie selber nicht dringen konnte, durch ihre Boote – abgesucht hatte, ohne indessen auch nur den kleinsten Erfolg verzeichnen zu können.
Die Insel Samothrake war während des Krieges entsetzlich verwüstet worden und befand sich noch immer unter türkischem Joche. Die Annahme war also nicht ausgeschlossen, daß sich das Korsarengesindel in den zahlreichen Buchten dieser Insel, der ein eigentlicher Hafen fehlt, festgesetzt hatte. Um 5-6000 Fuß ragt der Berg Saoke über die Insel auf, und von dessen Spitze ist es für ausgestellte Wachtposten leicht, jedes Schiff, dessen Annäherung verdächtig zu sein scheint, zu bemerken und rechtzeitig zu melden. Hierdurch gewannen die Korsaren Zeit zur Flucht, ehe sich ihre Einschließung bewerkstelligen ließ. Wahrscheinlich verhielt es sich so, denn auch in diesen vereinsamten Gewässern traf die "Syphanta" auf keinerlei Fahrzeug.
Henry d'Albaret richtete den Kurs nun nordwestlich in der Absicht, die Insel Thasos, etwa 20 Meilen von Samothrake entfernt, anzulaufen. Die Korvette mußte gegen eine kräftige Brise lavieren, fand aber bald Schutz am Lande und zufolgedessen eine ruhigere See, die ihr die Fahrt wesentlich erleichterte.
Seltsames Schicksal, das über diesen verschiedenen Inseln des Schicksals schwebte! Während Scio und Samothrake unter dem Türkenjoche so schwer zu leiden hatten, war an Thasos die Kriegsfurie ebenso vorübergezogen wie an Lemnos und Imbro. Dabei ist die gesamte Bevölkerung hier griechisch, herrscht noch altgriechische Sitte und sogar auch noch altgriechische Tracht. Die Türken, die seit Beginn des 15. Jahrhunderts im Besitz von Thasos sind, hätten hier also rauben und plündern können, ohne einer Spur von Widerstand zu begegnen, aber ein seltsames Privilegium, für das sich keine Erklärung finden ließ, hatte den Bewohnern von Thasos, trotzdem ihr Reichtum die Habgier der Türken hätte reizen müssen, bis jetzt Ruhe und Frieden gesichert. Indessen wäre ihnen dieses Glück, ohne die
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