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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lagerorchester zusammenkam und die Ouvertüre der Operette durchproben wollte. Peter Fischer suchte seine von Julius Kerner geerbte Trompete, jeder suchte sein Instrument in der großen Saalbaracke, der Stolowaja, wie der Russe sie nannte. Aber dort, wo man sie abgestellt hatte, war der Platz leer – selbst die Notenständer, aus Knüppeln gezimmert, waren verschwunden. Der Dirigent des Orchesters, ehemaliger Kapellmeister der Krefelder Oper, sah sich um.
    »Die haben unsere Instrumente weggenommen«, sagte er hilflos. »Anders ist es nicht zu erklären.«
    Betreten standen die Musiker herum, bis Karl Georg, der Schlagzeug spielte, von draußen wieder hereinkam. Sein Gesicht war wutverzerrt.
    »Der Posten sagt – beschlagnahmt!« schrie er. »Wegen der Sache mit Grosse! So lange beschlagnahmt, bis sich die Täter melden! Außerdem ist es verboten, weiter zu proben! Es gibt keine Bibliothek mehr, nur noch halbes Essen für das ganze Lager, keine Zeitungen, ab neun Uhr – das ist in 20 Minuten – kein Licht mehr! Zum Kotzen ist das!«
    Peter Fischer hockte auf einem Schemel, ein Häuflein Unglück.
    »Das hätte sich der Kerner mit seiner Trompete nicht gefallen lassen. Er wäre zu Worotilow gegangen …«
    »Dann geh doch, du Idiot!« schrie Karl Georg. »Dir fehlt auch so 'ne Nase wie dem Sauerbrunn seine …«
    Der Dirigent ordnete die handgeschriebenen Noten; dann verteilte er sie nach Instrumenten. »Proben wir so«, sagte er. »Jeder kennt sein Instrument … üben wir jetzt bloß die Einsätze. Ich markiere die Instrumentalgruppen.« Er hob den Taktstock – aus einer Birke geschnitten, weiß, lang, zart. »Die Bläser beginnen. Tata … tata … Erst die Trompeten … dann nach sieben Takten die Flöten und Klarinetten. Nach Takt zwölf Einsatz der Pauke …«
    Die Musiker umstanden den Dirigenten. In ihren Ohren klangen die Melodien, während sie stumm auf die Noten starrten, die Takte zählten und auf den Taktstock achteten, der die Tempi angab, während die linke Hand den Instrumenten den Einsatz zuwinkte. Es war eine gespenstische Szene – 32 Männer, stumm, Noten in den Händen, und ein Dirigent, der voll dirigierte.
    Um neun Uhr erlosch das Licht. Dunkel, feindlich lagen die Baracken im Schnee unter dem kalten Himmel. Nur im Lazarett brannten die Lampen.
    Peter Fischer ging zu dem Ofen, den man in der Ecke des Saales angesteckt hatte, und hielt einen Holzkloben in die Glut. Als das Scheit brannte, zog er es heraus und hielt es hoch über seinen Kopf. Flammendes Licht umspielte die stummen Musiker und warf zuckende Schatten gegen die Wände.
    »Proben wir weiter«, sagte der Dirigent. Seine Stimme war brüchig vor Ergriffenheit. »Zweiter Teil, ab Takt 34. Die ersten Geigen setzen ein … Langsamer Bogenstrich, singend … Und genau auf die Tempi achten, da gleich die Celli einsetzen …«
    Dreimal wechselte Peter Fischer das brennende Scheit, dann hatte der Posten dem Major gemeldet, daß in der Stolowaja die Gefangenen trotz Dunkelheit und ohne Instrumente probten. Worotilow hatte den Russen ungläubig angesehen und war ein Stück mitgekommen. Vor der Baracke hatte er durch das Fenster geblickt und das stumme Orchester mit dem fackelschwingenden Peter Fischer beobachtet. Er hatte dem Posten zugenickt und war zurück in seine Kommandantur gegangen. Lange stand er zögernd vor dem Hauptschalter. Nur ein Griff – und im Lager war Licht. Worotilow hatte schon die Hand ausgestreckt, hastig zog er sie wieder zurück.
    Es sind Gefangene … es sind Verdammte! Der Sieger ist Rußland! Sie haben zu gehorchen. Er starrte auf den schwarzen Hebel – zögernd wandte er sich ab und ging in sein Zimmer.
    Am nächsten Morgen wurden nur die halben Portionen ausgeteilt. Michail Pjatjal ließ sich bei den Essenholern nicht blicken – er schickte Bascha Tarrasowa vor und ließ sie die Flüche der Plennis anhören. »Ihr freßt euch dick und hurt wie die Karnickelböcke!« schrie einer der Essenholer. »Und wir sollen bei 300 Gramm Brot und 'nem halben Liter Suppe arbeiten können!«
    »Befehlll von Majorr!« sagte Bascha und lächelte vielsagend.
    »Leck mich am Arsch!« Die Kohlwassersuppe wurde in die großen Kessel gefüllt. Man tat es mit Wut … oft spritzte die Suppe über den Kesselrand in den Schnee. Michail Pjatjal, der Küchenleiter, beobachtete es von seinem Zimmerfenster aus und grinste. »Was überläuft, abziehen, Bascha!« rief er dem Mädchen auf russisch zu. »Die Kerle werden sonst zu fett.«
    »Da

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