Der Aufgang Des Abendlandes
bessern könnte? Diesen gordischen
Knoten durchhaut nur das blitzende Schwert der Karmaerkenntnis: der Mensch kann gut oder schlecht sein nur durch
Präexistenz, nur steigen oder sinken durch künftige Existenz, nur deshalb kann ihm das kausal überkommene
Leiden der Gegenwart durch ausgleichende Transformation vergütet werden. Das Erbübel ist des Menschen eigenes Werk
und Abbild, Gott kennt weder Liebe noch Haß, seine Weltethik wirkt nur gesetzmäßig: wer sein Ich liebt, wird
es verlieren, wer es haßt, wird das ewige Leben erhalten, wer das Unsichtbare anruft gegen das Sichtbare, wird
gekräftigt gegen den Schein, wer sich ans Sichtbare klammert, versinkt im Schein. Die Geisterwelt verfolgt aufmerksam
die Mimikry der Widergeburten und kann als Medium der Vorbestimmung psychisch eingreifen, ohne daß Gott als
persönliche Vorsehung sich bemühen muß.
Owens Geister behaupten: »Bewegung ist abhängig von Wille, Wille von Persönlichkeit, Materieform nur
Manifestierung von Persönlichkeit, wechselt in Bildung und Dichtigkeit gemäß Wesen des Handelnden«. So
rücken theologische Geisterseher, ob mit oder ohne Spirits, immer mit Persönlichkeit an, um Immanenz Gottes an das
Ich zu binden. Bewegungsatome seien dichter als der Äther, aus dem sie sich absondern? Ja, doch ist vermessen zu lehren,
daß persönlicher Wille, auf den Äther konzentriert, aus diesem Atome herabziehe, so daß zuerst der
Erdball selber Produkt persönlicher Willensmächte wäre. Alle Planeten seien durch spirituelle Energie
entstanden, ferner bilden bei Attraktion von Sonne und Erde zwei Linien eine Kreiskurve, Harmonie durch Antagonismus, Abbild
der Lebensreibung, deren Weisheit wir nicht verstünden? Außerdem sagt ein Herr aus der 10. Sphäre: Wohl sei
der Höchste-Eine das Zentrum aller Unendlichkeitskreise, doch nirgendwo sichtbar, welches Geheimnis man menschlichem
Begriffsvermögen nicht klar machen könne. Uns ist's klar genug, der alte Satz »Wer Gott schaut, stirbt«
bedeutet wohl auch »Wer stirbt, schaut Gott«, wie es Benetts seltsamer Roman »A glimpse«
veranschaulichen will. Doch selbst für erlauchteste Geistesaugen kann Gott in keiner denkbaren Erscheinung sichtbar
sein, da er zugleich das All ist und ein ewig verhüllter Punkt wie der Pol auf der Erdachse.
Das kann aber kein lieber Vater im Himmel sein, zu dem Kinderaugen aus Veilchenbeeten emporlächeln. So empfand auch
Reverend Chambers in »Der Mensch und die Geisterwelt« 1906, der seinen Amtsbrüdern vorwirft, sie
fälschten ihre Süßlichkeit in die Bibel hinein. Laut seinem Hinduspirit regiert in der Geisterwelt eben der
Geist und eine seiner Fähigkeiten sei »Form«, ein beiläufig aus Aristoteles entlehnter Begriff.
Erscheinen in früherer bekannter Körperlichkeit sei nur Gedankenform. Das stimmt zu unserer eigenen
Überzeugung. Auch daß die englische Hochkirche einen »Zwischenzustand« nach dem Tode in ihr Kredo
aufnimmt, nicht aber, daß der Geist schon im Leben teilweise außerhalb des Körpers weile – als Insasse
der Geisterwelt, die »überall« ist? Auch hier bestreiten wir jeden Dualismus, denn es ist kein Doppelleben,
wenn das Unbewußte in Trance oder Traum sich vom Ich abmeldet, für waches Bewußtsein gibt es nur
einheitlichen Lebensprozeß ohne Ausflüge ins Unirdische. Daß ein Hinduspirit sich als
»Kontroller« eines schwachen jungen Engländers bemächtigt und aus ihm im Trance redet, dabei aber
Christliches denkt wie sein Befrager, zeigt das Subjektive aller Geisterbesprechungen. Hier hören wir nichts von
göttlicher Immanenz, von Gleichheit jenseitigen Zustands, aber auch nichts von getrenntem Licht- und Nachtreich mit
grob-menschlicher Ausmalung, wie denn jede dualistische Vorstellung nur Vermenschlichung bedeutet. Auch von Engeln und
Sphären (Paulus will im Trance bis in die 3. Sphäre vorgedrungen sein) weiß der Hindu nichts. Geister
können laut ihm so wenig die Zukunft vorhersehen wie Menschen, während doch telepathische Prophetie das Gegenteil
beweist. Daß das Böse allmählich vom Guten aufgezehrt werde, ist eine dem Evolutionswahn schmeichelnde
Einbildung. Der gute Hindu täuschte sich gewaltig, als er 1906 besondere Energiewellen guter Geister sich vorbereiten
sah, statt dessen wurden alle bösen Geister losgelassen. Denn das Böse als natürliches Mitelement der
Bewegung, da es ohne Reibung weder Gut noch Bös gibt, könnte erst ganz aufhören, wenn das Weltbild zur ewigen
Ruhe
Weitere Kostenlose Bücher