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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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kann. In stillen Stunden naht wohl jedem Schuft die Einsicht, daß seine Intrigen,
Schwindeleien und Verbrechen nur ein Satyrspiel des Selbstbetrugs aufführen, daß seinen Mammon oder sonstigen
»Erfolg« die Motten fressen, dennoch geht er unbeirrt seinen Gang. Leute wie Cesare Borgia oder der
anachronistische Condottiere Karl XII., den Friedrich d. Gr. so bitter verurteilt, halten ihren ruhelosen selbstverzehrenden
Machtwillen um jeden Preis für berechtigt und zürnen höchstens der launischen Fortuna, wenn eine verirrte
»Zufallkugel« sie verdientermaßen ausmerzt. »Das Leben ist nur ein flüchtiger Traum«
murmelte Napoleon beim Glockengeläut, doch er träumte trotzdem seine Seifenblasen fort, nur daß er sie zu
Wolken aufblies. Selbst die wenigen, die den kindischen Schein durchschauen und sich für die Ewigkeit vorbereiten,
verfallen oft dem Zauber der Sansara. Liegt aber in solch leichtsinnigem Drauflosleben, als ob man inmitten alles Sterbens
die Möglichkeit des eigenen Todes nicht in ernste Berechnung ziehe, nicht vielleicht etwas unheimlich metaphysisches,
ein Wissen im Unbewußten, daß Tod als bloßer Übergangsprozeß das Dasein nicht aufhebe?
Fühlte etwa der Borgia sich nur als Verkörperung eines Dämons, der nach frühem irdischen Ende
unverändert weiterrasen und bald sich ebenso bösartig reinkarnieren wird? Beruht die gleichgültige
Todesverachtung aller Verbrecherhelden auf diesem Sicherheitsinstinkt, daß ihnen der Tod nichts anhaben könne?
Entspricht dies der gefaßten Ruhe des Weibes, wenn es beim Gebären von Leben mit dem eigenen Sterben spielt und
sich durch diese Gefahr nie von Erfüllung ihrer Mutterschaft abhalten läßt?
    Hier sei die wichtige Anmerkung nachgeholt, daß der Mann erfahrungsgemäß alle Fragen nur vom
männlichen Standpunkt behandelt, daher unsere Geringschätzung des Menschen sich wesentlich nur auf den Mann bezieht
und die Frau vielleicht Altruismus um seiner selbst willen für möglicher hält. Jedenfalls lebt Religionstrieb
(Ethik um Gottes willen) stärker in der Frau als im Mann und alles kommt für die Zukunft darauf an, ob die bisher
geringere Fähigkeit der Frau zu abstraktem Denken organische Schwäche oder bloß ein durch Emanzipation zu
beseitigender Erziehungsmangel sei. Solange sie sich in dumpfkirchlichen Vorstellungen bewegt, wobei süßliche
Inbrunst für den Bräutigam Jesus sogar in hysterische Erotik überschlägt, wirkt sie so wenig zur
Befreiung der Menschheit, wie durch törichte Selbstprostitution an atheistisch-materialistische Wahngebilde, wobei
überschwengliche Begeisterung ihres empfänglichen Gemütes für falsche Propheten verlogener
Menschheitsvergötterung sie erst recht in die Irre führt. Gleiches gilt aber auch für die christliche Kirche,
besonders die katholische, deren unsterbliches Kulturverdienst im Mittelalter ihr als günstiges Karmaerbe anhaftet und
der wir daher trotz unserer Verdammung ihrer schweren Sünden, die sie aus seelischer Förderung zu seelischer
Hemmung machten, ein ernstes Gewicht zuerkennen. Doch wenn sie, wie es leider den Anschein hat, allein den Kampf gegen den
Materialismus aufnehmen und vom Zorn aller andern Stände gegen die Arbeiterdiktatur nur für ihre eigenen
Machtzwecke profitieren will, so stellt sie »gottlosen« Proletarierinstinkten nur ein gleiches Gottfremdes
gegenüber. Wenn sie aber sich all ihrer Formeln des »non possumus« entledigt und die unter Dogmen vergrabene
Wahrheit vom Wust der Vernunftwidrigkeit reinigt, dann könnte man sich nichts Besseres wünschen als auf ihrem
vorhandenen Gerüst nach Abtragung der verwitterten Fassade weiterzubauen. Doch leider sind keine Anzeichen dafür
vorhanden und die göttliche Weltordnung dürfte wohl andere Mittel finden, um erneut »Religion«, wie sie
für Heutige paßt, dem entarteten Europa einzuflößen.
    Die Materiereibung im Wirbel feindlicher Iche macht aus moderner Pseudokultur eine Schreckenskammer, wo die Vernunft zu
Tode gefoltert wird, während nur noch Sinnlichkeit und Verstand miteinander Cancan tanzen. Wenn die Ideenwelt stets Gott
wiederspiegelt und ohne seine alldurchdringende Existenz gar nicht bestehen könnte, so spottet ein materialistischer
Sozialismus seiner selbst, wenn er sich auf die göttliche Vernunftidee des Altruismus beruft. »Ich bin Du«
bedeutet nicht Gewaltpöbelei von »Sklavenbefreiern«, die alles in Unnatur der Gleichmacherei versklaven
möchten und selbst nur Sklaven

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