Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
Fische, die wurden erst mal totgeschlagen, aufgeschnitten, ausgenommen. Es ging vorwärts, wir konnten was tun, das war das Schöne.
Aber es gab dann auch schon bald Probleme mit der Grenze und mit der zunehmenden Verschmutzung der Elbe. Als junge Frau bin ich noch in der Elbe geschwommen. Da war das Wasser sauber. In den Kriegsjahren dann wurde die Elbe schon als Industrieabwasser genutzt, aber ihre Selbstreinigungskraft reichte noch. Das war später dann nicht mehr der Fall, die Verschmutzung hat so zugenommen, daß viele der Fischereibetriebe das nicht überlebt haben. Und wenn wir nicht vermehrt Handel gemacht hätten, mit Forellen, mit Saiblingen, dann hätten auch wir nicht überlebt. Die Teiche, die sie hinten gesehen haben, die wurden damals mit öffentlichen Zuschüssen ausgelegt, das sind sogenannte Hälterteiche, in die man diese verdreckten, schlecht schmeckenden Aale brachte. Unsere Kunden hatten uns Schwierigkeiten gemacht, unsere Abnehmer in Steinhude – denn schließlich kamen viele dieser Steinhuder Aale aus der Elbe –, und da sagte man uns, tut uns leid, die schmecken nicht mehr, die stinken aus dem Pott, nach Phenol, Petroleum … Und da haben wir sie dann hier nach langen Versuchen dazu gebracht, die Aale, daß sie fressen, denn sie fressen an sich in Gefangenschaft nicht, und die Reinigung geht ja nicht, nur von außen. Das haben wir also geschafft, als erste in Deutschland, und so konnten wir, trotz der widrigen Bedingungen, überleben. Also, das ist schon sehr deutlich geworden, wie wichtig ein vernünftiger Umgang mit der Natur ist. Ich bin ja auch – seit der Gründung des BUND eigentlich – hier im Landkreis im Vorstand, war zwölf Jahre Vorsitzende usw. Der BUND wurde 1975 von Horst Stern und Bernhard Grzimek gegründet, er ist also etwas älter als der Gorleben-Widerstand. Energiepolitik war ja von Anfang an auch ein Hauptthema, und ab 1980 war dann ein Hauptthema auch Antiatomarbeit. Wir haben hier eigentlich eine gute Arbeitsteilung, wir machen Naturschutz, und die BI macht ganz kompetent ihre Antiatomarbeit, organisiert den Widerstand. Wir haben hier vom BUND z. B. seit Jahren ein Projekt, das heißt ›Kräuterheu- und Wiesenschutz‹; da geht es darum, zusammen mit Landwirten – und nicht gegen sie, wie es sonst oft nötig ist – dieses besondere Wiesenheu zu ernten, und wir sorgen dann für den Verkauf. Vierzig Landwirte sind da beteiligt, im Südkreis, wo es noch wunderbare kleinstrukturierte Wiesenlandschaften gibt, blütenreiche Wiesen, wunderschön. Das Heu geht z. B. an den Zoo Hannover, für bestimmte Tiere. Es ist sehr beliebt bei Pferdebesitzern, es geht bis in die Schweiz. Und wir verlangen einen 30 Prozent höheren Preis, und das ist es auch wert. Und zugleich dient die Sache der Artenvielfalt, denn es wird zum ökologisch richtigen Zeitpunkt gemäht. Normalerweise ist es ja so, daß in der Landwirtschaft kaum noch Heu gemacht wird, sondern nur noch Silage, und da fängt man im Mai an zu mähen. Früher wurde im Juni gemäht. Beim Mähen im Mai, da kommt natürlich keine Artenvielfalt mehr hoch, die Mähmaschinen zerstören die Gelege und Nester. Deshalb brüten die Grünlandvögel kaum noch hier im Elbbereich, die Brachvögel, die Kiebitze, die Uferschnepfe. Ich finde, das ist eine Verarmung der Elblandschaft, daß diese typischen Rufe nicht mehr zu hören sind. Es herrscht dieser stumme Frühling, den es früher nicht gab. Ein anderes Projekt ist ein Flüßchen, die Dumme, die begradigt wurde, und für deren Renaturierung wir uns eingesetzt haben, also, dieser Graben soll wieder mäandern. Und dann geht es natürlich immer um den drohenden Ausbau der Elbe, der immer noch in der Luft liegt, obwohl längst klar ist, daß der zugrundegelegte Güterverkehr auf dieser Wasserstraße gar nicht stattfindet. Aber was die Bürokratie einmal beschließt … Ausbau heißt z. B., daß man das Flußbett vertieft, noch mehr Bunen baut, den Fluß schottert, ihn immer mehr einengt, damit es mehr Strömung gibt usw. Und wir vom Naturschutz wollen natürlich, daß man die Dynamik dieses weitgehend noch natürlichen Flusses erhält. Daß unser Landkreis hier so ein Juwel ist, und auch der Fluß vergleichsweise, das ist zum große Teil entstanden durch die Grenznähe. Wenn die DDR nicht gewesen wäre, da bin ich sicher, hätten wir hier Staustufen an der Elbe, wie an allen anderen großen Flüssen. Es gibt nur eine, bei Geesthacht. Der Main z. B. hat 27; für die
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