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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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war sie nur mit einer Platzpatrone geladen gewesen. Dennoch hatte ich abdrücken müssen, wenn mein Plan funktionieren sollte.
    »Was haben Sie vor?«, fragte ich Suker, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
    Der Augenarzt kniete sich neben die Matratze, führte das Skalpell dicht an Alinas Gesicht heran. Sie bäumte den Oberkörper unter den Fesseln auf und warf den Kopf hin und her.
    »Komm mir zu nahe, und ich beiß dich tot, du Arsch«, schrie sie. Wut und Verzweiflung schienen nun auch sie an den Rand des Wahnsinns zu treiben.
    Suker zögerte, dann griff er nach der Paketrolle, riss einen kurzen Streifen ab und klebte ihn Alina wieder auf den Mund.
    »Ich hatte schon einmal eine Patientin, die fliehen wollte. Auch sie musste ich zur Strafe ohne Betäubung operieren. Allerdings …« Suker suchte im Spiegel meinen Blick, »… allerdings verfügte ich damals über wesentlich bessere Möglichkeiten, die Patientin zu fixieren. Nun denn, vielleicht kommen wir um eine weitere Betäubung doch nicht herum, Alina. Wir werden sehen.«
    Das Skalpell senkte sich erneut. Suker konzentrierte sich nun ganz auf sein Werk, schien nach dem besten Ansatzpunkt für den ersten Schnitt zu suchen, was mir die Gelegenheit gab, meine freie Hand in die Hosentasche zu stecken.
    »Schhh, Alina. Nicht so zappeln. Es wäre doch schade, wenn Sie sich dadurch womöglich selbst die Klinge ins Auge treiben würden.«
    Er nahm eine Plastikflasche aus seinem Koffer und schraubte sie auf. Der Deckel war gleichzeitig eine Pipette, gefüllt mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, die er auf ihre Augen tropfte.
    »Ein ungefährliches Desinfektionsmittel. Wir wollen doch Wundbrand vermeiden, nicht wahr?«
    Suker legte die Flasche zurück, musterte Alinas verzerrtes Gesicht und fingerte, ohne hinzusehen, eine Spritze aus der Nierenschale. »Muss ich noch mal nachdosieren?«
    Er zog die Schutzhülle von der Kanüle, etwa in dem Moment, in dem ich aufschlug.
    »Was zum Teufel …«
    Wie erhofft war Suker durch den unerwarteten Krach hinter sich zusammengefahren und hatte von Alina abgelassen.
    »Was soll das werden?«, fragte er. Er riss sich den Mundschutz von den Lippen und starrte wütend auf mich herab. Vor Schreck war ihm die Spritze aus der Hand und zu Boden gefallen.
    Die Nadel war verbogen und damit unbrauchbar. Teil eins meines Plans war also geglückt. Während er nicht hingesehen hatte, hatte ich mich in dem Rollstuhl, an den ich gefesselt war, nach vorne gebeugt und mit aller Kraft versucht, darin aufzustehen. Natürlich war das alte Ding viel zu groß und schwer, so dass ich das Gleichgewicht nicht eine Sekunde hatte halten können, bevor ich zur Seite fiel.
    Jetzt hing ich quer in dem umgekippten Rollstuhl am Boden und keuchte vor Schmerzen.
    Für einen Moment glaubte ich, Suker würde mich treten, doch dann verschwand die Wut in seinem Gesicht, und er lachte.
    »Wie ich schon sagte. Genauso wild und ungestüm wie Ihre Freundin. Sie passen wirklich gut zusammen.«
    Er ging zur Tür, tippte einen langen Zahlencode in das digitale Schloss und verschwand wie von mir erhofft, um eine neue Spritze zu holen.
    Alina, die sich keinen Reim auf die Geräusche machen konnte, stöhnte unter ihrem Knebel.
    »Ich fürchte, er holt eine neue Spritze. Aber keine Sorge. Ich lass mir was einfallen«, sagte ich mit mehr Überzeugung, als meine Lage rechtfertigte: Ich lag schließlich immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht an einen umgekippten Rollstuhl gefesselt, eine ungeladene Waffe unter meiner Hüfte begraben.
    Es dauerte nicht lange, und Suker war wieder zurück, diesmal mit einer Plastikspritze in der Hand.
    Er sah, wie ich mich wand, und lächelte über meine nutzlosen Anstrengungen wie ein Tierquäler, der eine Katze in der Falle beobachtet.
    »Oh, Sie haben ja schon zwei Zentimeter gutgemacht, Herr Zorbach. Respekt. Wissen Sie was?« Er machte eine einladende Bewegung zu der angelehnten Tür. »In dem Tempo könnten Sie es in den nächsten zwei Tagen hier raus schaffen.«
    Er lachte, ging zu Alina und verabreichte ihr die Injektion.
    Sie stöhnte, als wolle sie Suker etwas sagen. Der beugte sich zu Alina hinunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Alina wurde ruhiger, ihr Kopf bewegte sich nicht mehr so wild. Suker beobachtete sie noch eine Zeitlang. Dann legte er die halbgefüllte Spritze beiseite, griff zum Skalpell und begann mit der Prozedur.
    Ich sah, wie er am rechten oberen Augenlid ansetzte. Sah, wie der erste Blutstropfen an der Stelle

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