Der Ausloeser
im Gefängnis landen. Aber wenigstens wäre es vorbei. Alles Weitere würde die Polizei übernehmen, die Cops könnten ihre Familien beschützen und Victor bei der Übergabe verhaften. Es war so einfach: Sie musste nur die Wahrheit sagen, die Verantwortung für ihre Taten übernehmen, und es wäre endgültig überstanden.
»Nein«, erwiderte sie. »Tut mir leid.«
Sie hatte ihn verraten.
Mitch stand am Ende der Straße. Er bebte vor Wut, die in immer neuen, sengenden Wellen durch seinen Körper strömte. Mit geballten Fäusten und zitternden Armen sah er zu, wie sich der Wagen des Cops in Bewegung setzte.
Zuerst war er sich nicht sicher gewesen. Es war dunkel, bereits nach zehn, und noch dazu regnete es. Irgendein Typ im Anzug, es hätte jeder sein können. Doch als der Mann auf der Schwelle innegehalten und einen Blick auf den Himmel geworfen hatte, hatte sich sein Jackett ein Stück weit geöffnet: Dienstmarke und Pistole. Ein Detective. Mitch hatte ihn beobachtet, wie er durch den Regen zu einem blassblauen Crown Vic gelaufen war, der direkt vor einem Hydranten geparkt war.
Also hatte Jenn doch die Polizei gerufen. Nach allem, was er für sie getan hatte. Nach allem, was sie miteinander durchgemacht hatten. Sie hatte ihr Versprechen gebrochen.
Und damit sein Schicksal besiegelt.
Als sich der Wagen des Detectives näherte, ging Mitch in die Knie und band sich zum Schein die Schuhe. Zum Glück hatte Jenn keine Ahnung, dass er hier war. Nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, war er weiter durch die Straßen geirrt, weiter und weiter. Er wollte nachdenken, über Johnny und Victor, über das Geld und seine drei Freunde. Und vor allem über Jenn, genauer gesagt über sie und Alex. Kein Zweifel, da war etwas gelaufen. Nur was?
Gegen Ende seines Streifzugs musste er es endgültig einsehen – egal was zwischen den beiden war, es existierte schon eine ganze Weile. Er erinnerte sich an die tausend Blicke, die er halb bewusst, halb unbewusst registriert hatte, an die vielen verbalen Finten und plötzlichen Themenwechsel. Wahrscheinlich gingen die beiden schon seit Längerem miteinander ins Bett. Und ihren Freunden hatten sie die ganze Zeit etwas vorgespielt.
So weit, so schlecht. Aber damit war auch klar, dass Alex sich nicht auf eine echte Beziehung einlassen wollte, dass er Jenn ausgenutzt hatte. Und dass Jenn jetzt womöglich etwas brauchte, das sie von Alex nicht bekommen hatte: Er musste ihr zeigen, dass er es ernst meinte. Zum Beispiel durch eine romantische Geste.
Also hatte er ein Dutzend Rosen besorgt und war mit der Straßenbahn in ihr Viertel gefahren – Rosen für eine Frau, die ihn verraten hatte, verraten und verkauft, obwohl er für sie eine Waffe auf jemanden gerichtet und abge…
Weg damit . Ein schneller, fast schon instinktiver Gedanke.
Er stand auf und ging die Straße hinunter. Die in Plastik eingewickelten Blumen ließ er auf den nassen Gehsteig fallen. Den Mann, der auf der Schwelle saß und in ein Handy redete, würdigte er keines Blickes. Rauf zu ihrer Wohnung, immer zwei Stufen auf einmal, dazu das Echo seiner Schritte im Treppenhaus. Sein Körper bestand aus purer Energie, von den Zehen bis in die Fingerspitzen. Als er die Faust auf die Tür donnerte, genoss er den Schmerz in den Knöcheln. Er wusste, dass er im Recht war, absolut im Recht.
Endlich machte sie auf. Er sah ihr ins Gesicht. Sah, wie es sich veränderte. Als würde sie langsam ersticken. »Mitch.«
»Du hast die Polizei gerufen.«
»Nein, ich …«
»Lüg mich nicht an!« Er stieß sie zur Seite und marschierte durch den kurzen Flur ins Wohnzimmer.
Ihre Schritte in seinem Rücken. »Bitte, hör mir zu. Ich schwöre dir …«
Als er sich umdrehte, wurde sie kreideweiß.
»Hast du denn gar keine Ahnung, was ich für dich getan habe?« Er trat einen Schritt vor. Sie wich zurück, mit großen Augen und wirrem Haar. Selbst jetzt fand er sie schön, wunderschön, was ihn nur noch wütender machte. Er hatte ihr die Treue gehalten, er hatte gewartet, und als es darauf ankam, war er für sie da gewesen, ganz anders als Alex. Und was hatte er dafür bekommen? Nichts als leeres Gerede. Sie bräuchte Abstand, etwas mehr Zeit. Ja, klar. Mit Lügen hatte sie ihn bei der Stange gehalten, um ihn im nächsten Moment an die Cops zu verraten. Wegen ihr würde er im Gefängnis landen.
»Mitch …«
Er gab ihr eine Ohrfeige. Mitten auf ihr hübsches Gesicht.
Ihr Kopf wurde zur Seite gerissen, das feuchte Klatschen
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