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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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herabfallen ließ. »Seit zwanzig Jahren machen sie sich Sorgen um dich, verdammt noch mal. Uns wurde erzählt, du wärst nach Australien gegangen.«
    Sie stand unschlüssig in der Tür, den Kopf zur Seite geneigt, als lauschte sie in die Tiefen des Hauses hinein. »Du kannst nicht reinkommen.«
    Sie legte ihm die kleine Hand auf den Arm. »Nick ist in seinem Arbeitszimmer, und ich brauch nicht noch mehr Ärger. Wir können uns irgendwo treffen. Wann hast du Zeit?«
    »Jetzt. Ich fahr mit dir eine Runde spazieren.«
    »Das geht nicht. Er weiß, dass ich zu Hause bin.«
    Sie hörten beide, wie irgendwo im Haus eine Tür geöffnet wurde. »O Gott!«, zischte sie. »Ich warte heute Nachmittag um vier vor Dingles auf dich.
    Und jetzt hau ab, aber schnell, sonst krieg ich das nächste Veilchen verpasst.«
    Er hob instinktiv die Hand, um sie daran zu hindern, die Tür zu schließen. »Das ist doch idiotisch.
    Sag ihm, dass ich dein Bruder bin.«
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    Aber sie war zu schnell. »Das würde er mir nicht glauben«, flüsterte sie, und schon war die Tür zu.
    »Wenn ich solche Frauen sehe, könnte ich fuchsteu-felswild werden«, sagte George über Hilda Brett, als sie das Auto aufsperrte.
    »Wirklich?«, fragte Jonathan verblüfft. »Ich fand sie toll. Ein messerscharfer Verstand und ein un-glaubliches Gedächtnis. Wenn ich mit achtzig auch noch so unterwegs bin, werde ich mich nicht be-klagen.«
    »Genau.« George warf ihren Koffer auf den Rücksitz. »Das Leben ist so verdammt ungerecht.«
    Er wartete, während sie sich über den Sitz streckte, um die Tür auf der Mitfahrerseite zu entriegeln, dann beugte er sich hinunter und sah sie an. »Viele Menschen besiegen den Krebs, George. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Sie nicht achtzig werden sollten, wenn Sie sich an die Anweisungen Ihrer Ärzte halten. Vererbung, gut und schön, aber man darf sich davon nicht fertig machen lassen.
    Wenn Ihre Mutter an Krebs gestorben ist, heißt das noch lange nicht, dass auf Sie das gleiche Schicksal wartet.«
    Sie schob sich auf ihren Sitz. »Ach, das ist doch nicht der Grund, warum ich wütend werde, wenn ich Frauen wie Miss Brett sehe! Sie ist große Klasse, Jonathan. Sie hätte Kinder haben sollen. Stellen Sie sich vor, was für Menschen das geworden wären –367

    intelligent, gesund, weise. Das macht mich fertig, echt! Was ist nur los mit den Männern, dass sie so gar keinen Blick für das Besondere haben?«
    Er fragte sich, ob sie von sich selbst sprach.
    »Veranlagung ist nicht alles. Die Erziehung ist genauso wichtig. Miss Bretts Rolle im Leben war es, anderer Leute Kinder zu formen, und das erfordert weit mehr von einem Menschen als dreißig Sekunden blinden Beischlafs, bei dem eine völlig willkürliche Kombination von Chromosomen zustande kommt. Aber wie dem auch sei«, schloss er mit einem Lächeln, während er seinen Gurt einras-ten ließ, »woher wollen Sie wissen, dass sie nicht doch ein Kind bekommen hat?«
    »Dann hätte sie es bestimmt nicht behalten können … oder über es sprechen dürfen. In den Sechzigerjahren hätte man niemals eine ledige Mutter zur Schulleiterin gemacht.« Sie schob den Schlüssel ins Zündschloss und schnallte sich ihrerseits an. »Das ist doch eine total verrückte Welt.
    Gerade bei den Unfähigsten der Gesellschaft unterstützt man das Kinderkriegen noch, und intelligente Karrierefrauen werden dafür bestraft.«
    Es war eine erstaunlich reaktionäre Ansicht für eine Frau, die sich schmeichelte, liberal zu sein.
    »Es hat sich schon einiges gebessert«, widersprach er milde. »Wenigstens werden Frauen, die außer-eheliche Kinder zur Welt bringen, heutzutage nicht mehr an den Pranger gestellt.«
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    »Das vielleicht nicht«, versetzte sie, »dafür werden sie im Finanziellen bestraft. Versuchen Sie mal, Vollzeit zu arbeiten und von dem, was nach Steuerabzug von Ihrem Gehalt übrig bleibt, die Kinderbetreuung zu bezahlen. Da vergeht’s Ihnen!
    Wenn ich was zu sagen hätte, müsste jede Arbeits-stelle eine Kinderkrippe zur Verfügung stellen.«
    »Zu teuer und völlig undurchführbar«, wandte Jonathan ein. »Überlegen Sie mal, was es eine kleine Firma kosten würde, wenn nur eine einzige weibliche Angestellte irgendwann ein Kind bekäme.«
    »Dann muss die kleine Firma sich eben mit anderen kleinen Firmen im näheren Umkreis zusam-mentun und eine Gemeinschaftskrippe auf die Beine stellen.« George ließ den Motor an. »Oder haben Sie eine bessere Idee? Ich habe neulich in einem

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