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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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zuwandte, und als sie ins Haus ging, glaubte er schon, er hätte sich die ganze Mühe umsonst gemacht. Aber einen Moment später erschien sie wieder, und er konnte deutlich ihr Gesicht sehen, als sie zum Heck des BMW ging und den Kofferraumdeckel aufklappte, um mehrere Einkaufstüten an sich zu nehmen und ins Haus zu tragen. So ging sie ein paar Mal hin und her, und selbst wenn Billy ihr Gesicht nicht auf Anhieb erkannt hätte, hätte er sie auf jeden Fall an ihrem Gang erkannt – kleine schnelle Schritte, die ein ungeduldiges Naturell verrieten.
    »Die Burtons zogen bald nach Priscillas Verschwinden um, weil sie Louise auf eine andere Schule schicken wollten«, sagte George. »Wissen Sie zufällig, was später aus ihr geworden ist?«
    »Nein. Sie besuchte in Boscombe ebenfalls eine Gesamtschule, aber was sie danach tat …« Hilda 355

    Brett schüttelte den Kopf. »Ich habe mich zwar bei ihrem Schulleiter nach ihr erkundigt, aber er hatte leider nichts Erfreuliches über sie zu berichten.
    Wenn ich mich recht erinnere, gebrauchte er den Ausdruck ›unbelehrbar‹. Ihre Eltern sorgten dafür, dass sie ihren Namen änderte, und ermunterten sie, die Vergangenheit zu vergessen, aber der Schulleiter hielt das für falsch.«
    »Warum?«
    »Oh, ich vermute, weil es der Weg des geringsten Widerstands war. Man ändert seinen Namen, und schon ist man alle Schwierigkeiten los, das ist doch wirklich ein bisschen sehr einfach, meinen Sie nicht?« Sie sah Jonathan an, als verdächtigte sie ihn der gleichen Schandtat, und er spürte, wie ihm heiß wurde.
    »Was für einen Namen hat sie denn angenommen?«, fragte er.
    »Daisy, glaube ich.«
    »Und den Nachnamen hat sie beibehalten?«
    Hilda Brett nickte. »Der kommt ja ziemlich häufig vor, da brauchte sie sich nicht zu sorgen.« Sie hielt einen Moment inne. »Um ehrlich zu sein, ich fand die Reaktion der Burtons übertrieben. Es stimmt zwar, dass die anderen auf ihr herumge-hackt haben, als sie in der folgenden Woche wieder zur Schule kam, aber das hätte sich gegeben.
    Die anderen meinten, sie wäre schuld daran, dass Priscilla bestraft worden war – und damit indirekt 356

    auch daran, dass sie von zu Haus weglief –, und machten ihr die ersten zwei Tage das Leben sauer. Ich drängte Louises Mutter, strenger durchzugreifen, aber das schaffte sie offenbar nicht, und schließlich schien ein Umzug die vernünftigste Lösung zu sein.«
    »Sie glauben nicht, dass Louise diejenige war, die übertrieben reagierte?«
    »Doch, ohne Frage«, stimmte die alte Frau trocken zu, »aber da ich nicht wusste, was sich zwischen den beiden Mädchen abgespielt hatte, war es schwierig für mich zu beurteilen, wie weit ihr Verhalten echt war. Wie ich ihre Mutter verstand, war ihre größte Angst, den Trevelyans zu begegnen, also hat eindeutig das schlechte Gewissen eine Rolle gespielt.« Sie zuckte bedauernd mit den Schultern.
    »Es war entsetzlich traurig. Keiner von uns kam dagegen an. Wir fühlten uns alle schuldig.«
    In ihrer Stimme lag ein niedergeschlagener Ton, als fühle sie sich noch immer schuldig, und George fragte sich, ob das einer der Gründe war, weshalb sie David Trevelyan als Schläger und Kinderschänder hatte darstellen müssen. »Ich bin überzeugt, Sie haben Recht mit Ihrer Vermutung, dass häusliche Probleme Cill dazu trieben, von zu Hause wegzulaufen«, sagte sie. »Man muss sie einfach als Opfer sehen. Wissen Sie, ob sie früher schon einmal weggelaufen war? Es kommt ja häufig vor, dass Kinder mehrmals fortlaufen und wie-357

    der zurückkommen, ehe sie sich entschließen, für immer zu verschwinden.«
    Hilda Brett sah ihr einen Moment lang in die Augen, ehe sie sich zurücklehnte und nachdenklich wieder zum Fenster blickte. »Wissen Sie, dass ich das noch nie bedacht habe? Das ist wirklich interessant. Wenn sie im Unterricht fehlte, dachte ich immer, sie schwänzt.« Sie schwieg kurz, dann sagte sie: »Ich halte es für unwahrscheinlich. Einmal, als sie drei Tage hintereinander nicht zum Unterricht kam, erschien auch Louise nicht, und sie wurden beide von ihren Eltern nicht als vermisst gemeldet, was wohl darauf schließen lässt, dass sie abends nach Hause kamen.«
    »Haben die Mütter gearbeitet?«, fragte George.
    »Vielleicht sind die Mädchen den ganzen Tag zu Hause geblieben?«
    »O nein, das hätte keine der beiden Mütter erlaubt. Soviel ich weiß, putzte Mrs. Burton in einem Büro, aber sie war mittags zu Hause. Und Mr. Trevelyan hat nachts gearbeitet, da wird

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