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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nicht. Aber dieser hirnlose Patzinca …!« Er fuhr von seinem Thron auf, schüttelte die geballte Faust und drohte dem Totonáca, welcher gerade gesprochen hatte. »Fünf von meinen Beamten des Schatzamtes werden so behandelt, und ihr habt die Stirn, hierherzukommen und es mir auch noch zu melden! Bei den Göttern, ich werde euch bei lebendigem Leibe den Raubkatzen im Tierhaus vorwerfen lassen, wenn eure nächsten Worte diesen wahnsinnigen Verrat Patzincas nicht erklären und entschuldigen!«
    Der Mann schluckte, die Augen quollen ihm aus den Höhlen, doch was er sagte, war: »Am Tage Acht Alligator, Verehrter Sprecher …«
    »Ayya, ouiya, halt den Mund!« tobte Motecuzóma. Er sank zurück auf seinen Thron und schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht. »Ich nehme die Drohung zurück. Eine Raubkatze wäre viel zu stolz, solchen Abschaum anzurühren …«
    Einer der Weisen Männer des Staatsrats sorgte diplomatisch für eine Ablenkung, indem er einen der anderen Sendboten aufforderte zu sprechen. Dieser begann augenblicklich seinen auswendig gelernten Text herunterzurattern und das auch noch in einem Durcheinander verschiedener Sprachen. Wie sich zeigte, war er zumindest bei einem der Gespräche zwischen seinem Herrscher und den Besuchern zugegen gewesen und wiederholte nun jedes einzelne Wort, das zwischen ihnen gewechselt worden war. Nicht minder deutlich war es, daß der weiße Häuptling spanisch gesprochen hatte, was ein anderer Besucher in die Mayasprache gedolmetscht hatte, woraufhin es ins Náhuatl übersetzt wurde, auf daß Patzinca es verstehe. Patzincas Antwort war dann in umgekehrter Reihenfolge der Sprachen an den weißen Häuptling zurückgegangen.
    »Es ist gut, daß du hier bist, Mixtli«, sagte Motecuzóma zu mir. »Das Náhuatl ist schlecht gesprochen, doch wenn wir es uns oft genug wiederholen lassen, verstehen wir es vielleicht. Aber die anderen Sprachen – kannst du uns sagen, was sie bedeuten sollen?«
    Ehrlich gesagt hätte es mir ein diebisches Vergnügen bereitet, mit einer glatten und aus dem Stegreif heraus wiedergegebenen Übersetzung aufwarten zu können, doch begriff ich von diesem Durcheinander von Worten kaum mehr als jeder andere auch. Schon die Aussprache des Totonáca konnte einen gelinde zur Verzweiflung bringen. Selbst sein Herrscher sprach das Náhuatl nicht besonders gut, denn für ihn war es eine Sprache, welche er nur erlernt hatte, um sich mit seinen Vorgesetzten unterhalten zu können. Des weiteren handelte es sich bei dem Mayadialekt, welcher als Zwischensprache diente, um den Dialekt des Xiu-Stammes, und wenn ich diesen auch einigermaßen beherrschte, von dem offenbar weißen Dolmetsch konnte man das nicht behaupten. Außerdem sprach ich damals selbstverständlich noch lange nicht fließend spanisch. Zu allem Unglück wurden auch noch viele spanische Wörter benutzt – wie etwa emperador und virrey –, für die es noch keine Entsprechungen in irgendeiner unserer Sprachen gab, und so wurden sie mehr oder weniger unverändert und ohne Übersetzung auf xiu und náhuatl vom Sendboten nachgeplappert. Nicht wenig beschämt mußte ich daher Motecuzóma gegenüber eingestehen:
    »Vielleicht vermag ich, Hoher Gebieter, einigermaßen dahinterzukommen, was gemeint ist, wenn es mir oft genug wiederholt wird. Doch im Augenblick kann ich Euch nur sagen, daß das Wort, welches am häufigsten von den weißen Männern in ihrer eigenen Sprache verwendet wird, das Wort cortés ist.«
    Mit umdüsterter Miene sagte Motecuzóma: »Ein Wort!«
    »Es bedeutet ›höflich‹, Verehrter Sprecher, oder ›sanft, freundlich, manierlich‹.«
    Woraufhin Motecuzómas Miene sich ein wenig aufhellte und er sagte: »Nun, es verheißt zumindest nichts allzu Schlimmes, wenn diese Fremden von Freundlichkeit und Höflichkeit reden.« Ich hütete mich zu sagen, daß sie sich bei ihrem Angriff auf die Olméca nun keineswegs sanft und freundlich gezeigt hätten.
    Nach etlichem Hin und Her befahl Motecuzóma mir und seinem Bruder, dem Kriegshäuptling Cuitláhuac, mit den Boten woanders hinzugehen und uns das, was sie zu berichten hätten, sooft als möglich anzuhören, bis wir aus ihnen eine geraffte Darstellung dessen herausbekommen könnten, was sich im Totonáca-Land zugetragen habe. Wir gingen daher in mein Haus, wo Béu uns mit Essen und Trinken versorgte, während wir mehrere volle Tage damit zubrachten, uns die Worterinnerer anzuhören. Der eine ratterte immer und immer wieder herunter, was Patzinca

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