Der Azteke
ihm zu sagen aufgetragen hatte; und die anderen drei wiederholten immer und immer wieder das Durcheinander von Worten der vielstimmigen Unterredungen zwischen Patzinca und seinen Gästen. Cuitláhuac konzentrierte sich auf das, was auf náhuatl gesprochen worden war, ich auf jene Teile, die auf xiu und spanisch gesprochen worden waren, bis unsere Ohren und unser Hirn ganz benommen waren. Gleichwohl kamen wir auf diese Weise einigermaßen auf das Wesentliche, das ich dann sofort in Wortbildern niederschrieb.
Cuitláhuac und ich sahen die Lage folgendermaßen: Die weißen Männer äußerten sich entsetzt darüber, daß die Totonáca oder irgendein anderes Volk sich vor der Oberherrschaft durch einen »fremden« Herrscher namens Motecuzóma fürchten oder sich ihr unterwerfen sollten. Sie erboten sich, mit ihren einzigartigen Waffen und ihren unbesiegbaren weißen Kriegern, die Totonáca und alle anderen, die Motecuzómas tyrannische Herrschaft abschütteln wollten, zu »befreien« – unter der Bedingung, daß diese Völker statt dessen einem noch fremderen König, Carlos von Spanien, Treue schworen. Wir wußten, daß manche Völker bereit sein könnten, sich zusammenzutun, um die Mexíca zu stürzen, denn kein einziges war jemals erfreut darüber gewesen, Tenochtítlan Tribut zu zahlen, und Motecuzóma hatte in der letzten Zeit dafür gesorgt, die Mexíca in der gesamten Einen Welt noch unbeliebter zu machen, als sie es ohnehin waren. Allerdings knüpften die weißen Männer noch eine andere Bedingung an ihr Befreiungsangebot; jeder Bundesgenosse, welcher dieses Angebot annehmen wollte, verpflichtete sich damit zu einem weiteren Akt des Aufbegehrens, über den nachzudenken wahrhaft erschreckend war.
Unser Herrgott und Unsere Liebe Frau, sagten die weißen Männer, seien eifersüchtig auf alle Götter neben ihnen, und die Gepflogenheit, Menschenopfer darzubringen, entsetzte sie. Daher müßten alle Völker, welche die Mexíca-Herrschaft abschütteln wollten, Anhänger dieses neuen Gottes und der neuen Göttin werden. Sie würden Blutopfer von sich weisen, sollten alle Standbilder und Tempel ihrer alten Gottheiten stürzen, und statt dessen ihre Kreuze und Standbilder aufrichten, die Unseren Herrgott und Unsere Liebe Frau darstellten – und diese Kreuze und Bildnisse würden die weißen Männer bereitwillig zur Verfügung stellen. Cuitláhuac und ich gelangten übereinstimmend zu der Ansicht, daß die Totonáca und viele andere unzufriedene Völker einen großen Vorteil darin sehen könnten, Motecuzóma und seine allgegenwärtigen Mexíca zugunsten eines fernen und unsichtbaren König Carlos abzusetzen. Wir waren uns aber gleichermaßen einig darin, daß kein Volk ohne weiteres bereit sein würde, die alten Götter zu leugnen, welche unendlich mehr zu fürchten waren als irgendein irdischer Herrscher, und deshalb Gefahr zu laufen, ein Erdbeben hervorzurufen, welches sie selbst und die gesamte Eine Welt verschlingen würde. Selbst der wankelmütige Patzinca von den Totonáca – das entnahmen wir den Nachrichten der Sendboten – war entsetzt bei dieser Vorstellung.
So also lautete der Bericht samt dem Schluß, den wir daraus zogen und welchen Cuitláhuac und ich in den Palast trugen. Motecuzóma legte sich mein Buch aus Borkenpapier auf den Schoß und begann zu lesen. Er faltete freudlos Seite um Seite auseinander, während ich den Inhalt für die Angehörigen des Staatsrates laut wiederholte, die gleichfalls im Raum versammelt waren. Doch genauso wie die vorhergehende Beratung wurde auch diese dadurch unterbrochen, daß der Palastkämmerer die Ankunft neuer Sendboten meldete, welche flehten, sogleich vorgelassen zu werden.
Diesmal handelte es sich um die fünf Beamten des Schatzamtes, welche in Tzempoálan gewesen waren, als die weißen Männer dort gelandet waren. Wie die meisten Beamten, die in den tributpflichtigen Ländern umherreisten, trugen sie ihre reichsten federgewirkten Gewänder samt Federkopfputz und Amtsinsignien – um Eindruck auf die Tributpflichtigen zu machen und sie einzuschüchtern –, doch als sie jetzt in den Thronsaal eintraten, sahen sie aus wie Vögel, welche von einem Sturm durch mehrere Dornbüsche hindurchgetrieben worden waren. Sie sahen zerrupft, schmutzig, ausgemergelt und außer Atem aus, weil sie, wie sie sagten, viele Tage und Nächte in Patzincas verfluchtem Gefängniskäfig verbracht hätten, wo so wenig Platz gewesen war, daß sie sich nicht einmal hatten niederlegen oder
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