Der Bademeister: Roman (German Edition)
ein Mensch darin verfangen. Wenn ich gegen eines dieser Netze laufe, fasse ich nach meinem Gesicht und meinen Haaren, die Fäden hängen in den Wimpern oder an den Kleidern, dann ekelt es mich, und ich versuche sie zu entfernen, vom Treppenaufgang, von den Türen, aber über Nacht entstehen neue Netze, und die Spinnen verstecken sich geschickt.
Nachts, denke ich manchmal, nachts, während ich im Heizungskeller schlafe, und wer weiß, was geschehen wird, wenn ich erst fort bin?
Es dauert nicht mehr lange. Hört einer, was ich sage? Hier oben in der Halle sind Mikrophone angebracht. Nachts, als keiner da war, muss der Hausmeister die Zuständigen hereingelassen haben. Die Mikrophone nehmen auf, was einer spricht, jedes Wort wird aufgezeichnet. Bisher all die anderen Stimmen, Kindergeschrei, Rufe, das Aufspritzen des Wassers, wenn einer hineinspringt. Springen von der Seite verboten! Hört einer? Eine Tatze des äußeren Löwen ist heute Nacht abgebrochen.
Aber ich gehe nicht mehr hinaus.
Sonntags sind wir spazieren gegangen, bis zum Schluss. Wir haben zu Mittag gegessen, danach der Spaziergang. Meine Mutter, mein Vater, dahinter ich.
Zu meinem fünfzehnten Geburtstag bekam ich zwei Hosen. Deine Mutter hat mir gesagt, dass du in den alten Hosen auf die Straße gehst!
Nie wieder in zu kurzen Hosen auf die Straße. Beim Nachhausekommen die Schuhe kontrolliert. Kratzer. Die Sohlen. Die Absätze. Wo treibst du dich herum?
Wenn es warm genug war, nahm ich ein Buch, stahl mich aus der Wohnung, ging in den Park. Der Weg vom Haus zum Park und zurück. Immer der kürzeste Weg. Dreimal pro Woche ins Schwimmbad. Dass wir täglich trainierten, log ich und machte mich mit dem Badezeug auf den Weg, und wenn es regnete, setzte ich mich in eine U-Bahn-Station. Morgens zur Schule. Sonntags die Rücken der Eltern vor mir, zum Spaziergang.
Immer wieder Sirenen, das Quietschen von Bremsen, Leute, die ungeregelt die Straße überqueren, Hupen, kein Warnruf, Straßenschilder stattdessen, Ampeln, und wer könnte die Passanten im Auge behalten? Immer wieder Sirenen und Funken aus den Leitungen der Straßenbahnen und hinter den Autos Reklametafeln, Autos hintereinander im Stillstand, das glänzende Metall, Musik, die durch die Scheiben dringt, zwischen den Autos Fußgänger, kein Warnruf, die großen Tüten mit ihren Aufschriften, die Glastüren, Glastüren, die Schritte, die im hellen Licht verschwinden. Wo warst du? fragte Cremer mich am Abend des ersten Tages.
Wie siehst du denn aus? fragte er und fragte nicht weiter, schob mir die Tüte mit den Brötchen zu, fragte nichts mehr. Dachte, ich arbeitete weiter bei den Wannenbädern, wusste nicht, dass ich entlassen war, das Schwimmbad geschlossen, Abend war es und längst dunkel, bald Zeit, zurückzugehen in die Wohnung, nicht anders als an jedem Tag. Es war der erste Tag, war morgens schön gewesen, jetzt fing es an zu regnen, kaum dass ich die Brötchen aufgegessen hatte, fing es an zu regnen, und obwohl ich müde war, fast schon in der Straße, in der wir wohnten, fiel es mir schwer, dorthin zu gehen, ich dachte an die Abende mit den anderen, mit Klaus, Frau Karpfe und dem Hausmeister, den ganzen Tag hatte ich kein bekanntes Gesicht gesehen, niemanden hatte ich gesehen, außer dem Mann mit den karierten Hosen, den dünnen Mann, der auf der Bank gesessen hatte, einen Rucksack auf dem Rücken, es hatte niemand das Wort an mich gerichtet, wo warst du? hat Cremer mich gefragt.
Ich ging nicht gleich zurück zur Wohnung, machte einen Bogen und lief zum Schwimmbad. Zuerst glaubte ich Licht zu sehen, aber die Fenster waren dunkel, ich sah das weiße Schild, auf dem die endgültige Schließung bekanntgegeben war, wollte die Treppen hinaufsteigen, um es zu lesen, aber ein Auto bremste, parkte, gerade vor dem Schwimmbad, ein Mann stieg aus und musterte mich neugierig, da drehte ich mich um und ging. In allen anderen Fenstern sah man Licht, nur das Volks- und Schwimmbad lag im Dunkeln, und in dem schmutzigen Dunst, der zwischen den Häusern hing, schien dort, wo es sich befand, nur eine Lücke zu klaffen.
Das Becken ist leer, ich starre stundenlang hinein, bis ich doch etwas sehe, einen Rückenschwimmer, seine Arme, die sich gerade aus dem Wasser strecken, das Gesicht der Decke zugekehrt, die Füße, die schnell und gleichmäßig das Wasser treten, sehe einen anderen Schwimmer untertauchen, den Beckenrand berühren und sich geschmeidig abstoßen, höre, wie einer krault, den lauten Atem,
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