Der Bademeister: Roman (German Edition)
Hautausschläge und Wunden, das kann man sich leicht merken, verdreckte und verkratzte Schuhe, dass es eine Schande ist, Herumtreiber, Stubenhocker, sonntags geht man spazieren, am Sonntag, wer nicht arbeitet, soll nicht essen, war niemals krank gewesen, all die Jahre, und nicht zu spät gekommen, jetzt ging ich in die falsche Richtung, die Tage viel zu lang, es war der zweite Tag, der erste und der zweite Tag, dann waren es schon Tage, täglich die Tage, als wäre es niemals anders gewesen, es wurde langsam hell, regnete, ich dachte, dass ich umkehren müsste, im Schwimmbad war es immer warm, dort würde ich duschen. Das Bad meiner Mutter zu benutzen hatte ich lange schon vermieden, ihre rosa Lockenwickler lagen dort und manchmal Unterwäsche, der Geruch von Kölnisch Wasser hing in den Handtüchern, von Kölnisch Wasser und Haarspray, ein Geruch, der mich ekelte wie die nackten, alternden Körper, die fetten Rücken, runzeligen Knöchel, dicke, blaue Adern an den Füßen, die Altersflecken, Muttermale. Aber im Schwimmbad sind sie alle gleich, im Wasser verliert sich der Unterschied, der Geruch verschwindet im Wasser und bleibt dort, ohne gründliche Reinigung darf das Schwimmbecken nicht benutzt werden, nur Personen mit Wunden und Hautausschlägen sind von der Benutzung des Schwimmbads ausgeschlossen, es haben alle anderen jederzeit Zutritt, von sechs Uhr morgens bis neun Uhr abends, die Zeit wollte nicht vergehen, ich habe auf die Zeit nie geachtet.
Auf den Straßen gibt es keinen, der kontrolliert, wer rechtmäßig dort ist und wer nicht, es kann sich jeder auf der Straße aufhalten, solange er will, niemand ist da, der für Ordnung sorgt oder aufpasst, dass keinem etwas zustößt, die Leute laufen hin und her, haben es eilig, und andere laufen ihnen in den Weg und vor die Füße, so dass sie leicht stolpern könnten oder stürzen, und drumherum ist so viel Lärm, dass niemand darauf achtet. Täglich verschwinden Leute, ohne dass einer es bemerkt, so wie ich nicht mehr da bin, wo ich wohne, und auch nicht da, wo ich arbeite, seit ich nicht mehr arbeite, weil das Schwimmbad geschlossen ist, und es zieht keine Folgen nach sich, wenn man verschwindet. Auf offener Straße können solche laufen, die eigentlich verschwunden sind. Dergleichen lässt sich ohne weiteres nicht feststellen, so wenig wie sich etwas über die Personen sagen lässt, die nicht ins Schwimmbad kommen und doch nicht alle von der Benutzung des Schwimmbads ausgeschlossen sind, sondern aus ganz anderen Gründen fernbleiben, wie etwa Cremer und meine Mutter, die beide keine Hautausschläge hatten und keine Wunden.
Zuweilen kommt es vor, dass ich nachts aufwache, nicht sofort weiß, wo ich mich befinde. Im Schwimmbad schläft man nicht, und wenn ich aufwache, kann ich nicht annehmen, dass ich im Schwimmbad bin. Erst seit ich meinen Globus wiederhabe und noch drei andere gefunden, die ich nachts brennen lasse, bin ich ruhiger, denn auch in meinem Zimmer war nachts der Globus eingeschaltet, bis meine Mutter mich eines Morgens aufweckte, weil ich von allein nicht aufgewacht war, und ihn an die Tür stellte. Wegwerfen sollte ich ihn, weil die Grenzen nicht mehr stimmten, weil es nicht gut sei, im Haus solch einen Globus vorzufinden.
Jetzt sind zwei der Globen ausgegangen, und wenn ich beim Aufwachen erschrecke, frage ich mich, ob es stimmt, dass ich hier bin, ob es stimmt, dass ich durch die Stadt laufen musste, weil man das Schwimmbad geschlossen hatte, und manchmal scheint mir, das alles sei erfunden, so wie man einen Traum erfindet, denn schließlich ist es unvorstellbar, dass man ein ganzes Gebäude verfallen lässt, dass Mauern keine Mauern sind, sondern Eisengestänge, Stroh und Mörtel, und unvorstellbar ist ein Schwimmbad ohne Wasser, eine Schwimmhalle, in der das Wasser abgestellt ist.
Im Heizungskeller wache ich auf und kann nicht ausschließen, dass ich der Heizer war und nicht der Bademeister.
Cremer hat mir vorgeworfen, dass ich nicht wüsste, wo ich lebe, nichts weiß von dem, was vorgeht, war auch verärgert, weil ich ihn nicht begleiten wollte, als die Mauer fiel, begreifst du nicht, sagte er mir, es sind nur ein paar hundert Meter von deinem Schwimmbad, hast du die Mauer vielleicht nicht gesehen? Du glaubst doch nicht, dass heute irgendjemand schwimmen geht. Aber das ist nicht wahr. Die meisten Badegäste kamen, nur etwas stiller als gewöhnlich war es in der Schwimmhalle, wogegen man von draußen und aus dem Büro Frau Karpfes
Weitere Kostenlose Bücher