Der Bann (German Edition)
Generationen hinweg Handelsbeziehungen mit den Familien der
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gepflegt.
Vielleicht war es letzten Endes unausweichlich – ein Teil des Budapester Adels fing an, die
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um ihre Langlebigkeit zu beneiden und um ihre Fähigkeit, sich perfekt zu tarnen. Für das einfache Volk und den Bauernstand waren die
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nicht viel mehr als ein unterhaltsames Märchen, doch als der Neid beim Adel immer größer wurde und Missgunst und Misstrauen hervorbrachte, bekam das Märchen eine bedrohlichere Note.
Es war ein riesiges Pulverfass, nur darauf wartend, dass jemand die Zündschnur anzündete. Und in dieser Atmosphäre absolvierte Balázs Jakab sein erstes
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im Palast von Buda und wurde von seinen Altersgenossen auf die denkbar grausamste und herzloseste Art und Weise abgewiesen.»
Hannah richtete sich auf. «Jakab? Jakab hatte mit dem Mord an seinem Volk zu tun?»
«Jakab war der entscheidende Funke, Hannah. Das
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lief nicht gut für ihn. Er stürmte aus dem Palast und landete in der Gesellschaft von zwei Menschen aus dem Volk, unten am Fluss. Der Name des jungen Mannes war Márkus Thúry. Die Frau hieß Krisztina. Jakab trank mit ihnen, und sie entwickelten eine Art Freundschaft. Es ist nicht ganz klar, was dann geschah, doch es scheint, Jakab gewann Interesse an der jungen Frau. Vielleicht feuerte sie seine Avancen noch an. Wir werden die Wahrheit wohl niemals erfahren. Was wir jedoch wissen, ist, dass er den jungen Mann entführte, in seine Rolle schlüpfte und die junge Frau in den Wald mitnahm, wo er sie dann vergewaltigte. Es kam irgendwann heraus, allerdings nicht, bevor Thúry für das Verbrechen gehängt worden war.
Zu diesem Zeitpunkt brannte die Zündschnur dieses Pulverfasses. Unter dem zunehmenden Druck der Öffentlichkeit unterschrieb der Palast unser Todesurteil. Im folgenden Sommer, nach genügend Zeit für Planung und Vorbereitung, ermordeten die neugebildeten Eleni gleich mit ihrem ersten Schlag unseren gesamten
tanács
. Es geschah in der Nacht des ersten
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. Dieses
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wurde nicht wie üblich im Palast abgehalten. Franz Joseph hatte keine Genehmigung gegeben. Er gestattete allerdings die Durchführung in einem eigens gebauten Fachwerkhaus drei Kilometer flussabwärts. Als unsere Kinder im Saal waren, vernagelten und verbarrikadierten die Eleni Türen und Fenster und brannten das Haus bis auf die Fundamente nieder.»
«Mein Gott …»
«
Végzets
in anderen Städten wurden ebenfalls angegriffen und auf ähnliche Weise ausgelöscht. Sie fanden nicht alle von uns. Viele konnten entkommen. Doch der Schaden war angerichtet. Zu viele von uns waren gestorben.»
«Ich verstehe nicht … Wenn es doch Überlebende gab …»
«Hannah, vielleicht musst du das noch lernen über uns, aber wir werden nicht leicht schwanger. Viele Studien wurden durchgeführt, um den Grund herauszufinden, aber niemand weiß wirklich eine Antwort. Wir haben nur wenige Kinder, und wir sind nur für eine sehr kurze Zeit in unserem langen Leben fruchtbar. Noch vor hundert Jahren wurde in jeder größeren Stadt in der näheren und weiteren Umgebung von Budapest alljährlich ein
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abgehalten. Debrecen, Wien, Bukarest, Lemberg. Ebenso in Moskau, Minsk, Warschau, Berlin. Im Jahr nach dem Massaker gab es in ganz Osteuropa nicht ein einziges
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. Auf der ganzen Welt gab es keins. Zwei Jahre später gelang es uns, unter größter Geheimhaltung ein einzelnes
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zu organisieren. Insgesamt zwanzig junge
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nahmen teil, manche davon Geschwister, was die Möglichkeit noch weiter einschränkte. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann zum letzten Mal ein
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stattgefunden hat.»
Die
Főnök
legte die Hände in den Schoß und betrachtete ihre glatte Haut. «Es ist schmerzvoll, ein Kind in die Welt zu setzen und ihm beim Aufwachsen zuzusehen im vollen Wissen, dass es niemals eine Chance haben wird, selbst Kinder zu bekommen.»
«Gabriel … Sie meinen, es gibt niemanden?»
«Es gibt keinen
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mehr in seinem Alter, Hannah. Keinen einzigen.»
Hannah war erschüttert von den Worten der
Főnök
. Nate zu verlieren hatte ihr einen Schmerz gebracht, der fast nicht zu ertragen gewesen war, doch der Gedanke, ihm erst gar nicht begegnet zu sein,
niemandem
begegnet zu sein,
niemals
, war zu trostlos und deprimierend, um ihn zu Ende zu denken. Sie rief sich Gabriels Gesichtsausdruck ins Gedächtnis, als er erzählt hatte, wie die Eleni den Tod eines
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