Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
Vom Netzwerk:
auf
einem Terminkalender »Großmama Blumen schicken«.
    »Nicht schicken. Selber kommen. Es ist der
siebzigste«, sagte Susi, während sie sich interessiert in Karlis Wohnung
umschaute und diese in Gedanken mit Bastians Bude verglich, an die sie nie ohne
leichtes Heimweh denken konnte.
    Karl hatte sich von einem Architekten einrichten
lassen und tunlichst alles vermieden, was diesen unpersönlichen Eindruck durch
persönliche Apercus verwischen könnte — bis auf die Geweihe natürlich, die
statt Bildern seine Wohnräume zierten.
    Susi musterte die Wohnung, und Karl Guthmann
musterte Susi mit zunehmendem Wohlgefallen.
    »Sie sind also Großmamas Untermieterin? Daß wir
uns da noch nicht begegnet sind... Komisch.«
    »Gar nicht komisch«, sagte Susi. »Sie besuchen
sie ja nie.« Er bot ihr Platz an und eine Zigarette, die Susi ablehnte. Was ihm
gefiel.
    Er mochte keine Frauen, die rauchten und tranken
und burschikos auftraten. Er liebte sie anschmiegsam, schutzlos und häuslich.
Wie von damals. Bloß in Ohnmacht brauchten sie nicht mehr zu fallen.
    » Wissen
Sie, Großmama und ich hatten nie den rechten Kontakt. Sie hat immer den Bastian vorgezogen.« Und damit hatte er ein
Thema angeschnitten, das ihn offensichtlich sehr bewegte. »Vielleicht können
Sie mir sagen, was die Frauen an meinem Bruder finden? Sie kennen ihn doch?«
    »O ja.«
    »Hat er überhaupt sein Examen geschafft?«
    »Ich weiß nicht. Aber wenn, hätte Frau Guthmann
schon darüber gesprochen.« Susi lachte. »Was heißt gesprochen. Sie hätte es
wahrscheinlich über’n Rundfunk bekanntgegeben.«
    »Schaun Sie, Fräulein —?«
    »Susi Schulz.«
    »Fräulein Schulz. Das ist so ein Beispiel. Wenn
ich als Schüler Klassenprimus war, fanden das alle selbstverständlich. Wenn
Bastian aber einmal eine Drei schrieb statt einer Vier, wurde das als Ereignis
gefeiert. Man kann als Mann, der etwas darstellt und auch nicht eben schielt —
man kann ja Komplexe kriegen, Fräulein Schulz, wenn man sieht, wie die Frauen
ihn verteidigen. Ja, was hat er denn? Kann er Kunststücke?«
    Susi überlegte. »Kunststücke? Der Bastian? Ich
wüßte nicht, aber ich kenne ihn auch nicht so gut — .«
    »Was hat er dann?«
    »Er - er ist halt so schön normal, verstehen
Sie? Er braucht weder viele Mädchen noch ein irres Motorrad, um sich zu
beweisen, daß er ein Superkerl ist. Er will gar kein Superkerl sein. Er will
auch nicht immerzu was darstellen wie die meisten Männer. Er — er gibt seine
Schwächen zu. Ich glaube nicht, daß er jemals Karriere machen wird.«
    »Das sage ich ja — er hat keinen Ehrgeiz.«
    »Nein. Viel hat er wohl nicht«, nickte Susi.
»Aber darum ist er auch nicht so egozentrisch wie die Ehrgeizigen. Ich kannte
mal einen Referendar...« Sie brach ab und kehrte zu Bastian zurück. Man sah ihr
an, wie sie geistig arbeitete, um seine Vorzüge zu formulieren. »Wissen Sie,
die meisten Menschen sind so kompliziert, weil sie Komplexe haben. Die müssen
sie dann irgendwie abreagieren. Meistens lassen sie andere dafür leiden.
Bastian hat keine Komplexe.«
    »Das hab’ ich gemerkt, als er neulich auf meine
Rechnung gefuttert hat«, ärgerte sich Karl noch immer.
    Susi überhörte seinen Einwurf und dachte weiter
über Bastian nach. »Wenn er zum Beispiel — wie soll ich das erklären — , also
wenn er zu klein geraten wäre, körperlich, meine ich — dann würde ihm das
wahrscheinlich nichts ausmachen. Er würde sich sagen, na gut, es muß auch
Kleine geben, und wäre so ein fröhlicher und sympathischer Kleiner, daß es
keinem auffallen würde, daß er klein ist. Er würde sich als Dackel wie ein Bernhardiner
benehmen und hätte die ganze Kläfferei der Kleinen gar nicht nötig. Ich hab’
auch noch nie erlebt, daß er auf jemanden neidisch gewesen wäre, weil der was
besessen hätte, was er nicht hat.«
    Karl Guthmann hatte ihr mit wachsender
Eifersucht zugehört. »All diese Eigenschaften passiver Natur bezeichnen Sie als
besondere Vorzüge?«
    »Ja.«
    »Oh, Fräulein Schulz! Ich will ihnen mal was
sagen: Wenn es nur solche Menschen wie meinen Bruder gäbe, dann lebten wir heut
noch auf den Bäumen.«
    »Er hat ja noch andere Vorzüge«, verteidigte
Susi den Bastian, und es war ein Jammer, daß er ihr nicht zuhören konnte. Er
hätte wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen gehabt. Denn er war nicht immer
freundlich mit ihr umgegangen.
    »Der heilige Sebastian!« ärgerte sich Klappzahn.
    »Nein. Heilig ist er nicht. Er will auch gar
nicht

Weitere Kostenlose Bücher