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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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zugeschoben.
    Sie hätte ja gern noch nach der Toilette gefragt,
aber sie traute sich nicht. Alle hatten es plötzlich so eilig.
    »Vielen Dank für Ihren Besuch, gnä’ Frau«, sagte
der Manager. »Spieln Se mal die Platte. Is der neuste Hit von Ferry. Super,
gnä’ Frau. Haut den zähesten Steher aus der Wäsche. Ham Se ‘n Grammophon, ja?
So eins mit Nadel zum Wechseln noch, ja? Nostalgie! Die Stimme deines Herrn!
Versuchen Se ‘s ma drauf, gnä’ Frau.«
    Großmutter fühlte sich erschöpft. Sie vergreiste
vorübergehend. Es war zuviel für sie. Von allen Seiten zuviel und zu
gewalttätig, selbst das an sich Gutgemeinte.
    Mit einem Plüschtier, einer Platte und ihrer
Tasche unterm Arm steuerte sie der Straße zu, wo der Wagen des Reporters
parkte.
    Hinter ihr her dröhnte Ferry Blancs neuester Hit
aus vielen Lautsprechern:
     
    Rrrussische Omma, du mußt nicht weinen,
    Du bist ja nicht allein.
    Auch wenn dein Pjotr tott ist und leer das alte
Nest,
    Es kehren alle wiederr zu dainem Wiegenfest.
    Rrussische Omma, du bist ja nicht allein, einmal
im Jahr werden alle bei dir sein.
    Rrussische Omma...«
     
    Martha Guthmann glaubte nicht, daß dieses Lied
ein großer Erfolg werden würde, wenigstens nicht bei Omas, die sich Gedanken
über Schlagertexte machten.
     
     
    Dennoch hatte sie der Besuch bei Ferry Blanc
mehr beeindruckt, als sie zugeben mochte. Sie fühlte sich wichtig, beinah
prominent, während sie — noch den Hut auf dem Kopf — Kathrinchens Flasche
vorbereitete.
    Bastian saß am Küchentisch und sah ihr zu. »Du
läßt dich vielleicht in Sachen ein!«
    »Wir müssen die Zeitung kaufen, Bub! Mindestens
dreißig Stück müssen wir kaufen für die Verwandten. Man hat mich ja auch
fotografiert. Von unserer Familie hat lebend noch keiner in der Zeitung
gestanden.«
    »Doch.«
    »Wer bitte?«
    »Der Alfons, wie sie ihn eingesperrt haben«,
sagte Bastian. »Aber der war nicht mit Bild drin«, sagte Großmutter. »Ich bin
mit Bild.«
    »Susi sagt, du hättest lieber eine Kühltruhe
gewonnen.«
    »Ja, das schon.«
    »Wozu denn?«
    »Wegen der Sonderangebote, die es bei unserem
Metzger gibt. Frier’ ich sie ein, hab’ ich immer Fleisch im Haus, wenn du
kommst. Und spare Geld. Ich kann dann auch vorkochen. Suppe. Paprikaschoten.
Huhn. Alles.«
    »Knödel auch?«
    »Natürlich.«
    Das war ein Grund, der Bastian einleuchtete.
    Wenn sie übriggebliebene Knödel einfrieren
konnte, würde sie nicht mehr versuchen, sie umgehend in ihre Lieben hineinzustopfen.
    »Aber wenn mal der Strom ausfällt, Oma! Dann
mußt du alle auf einmal aufessen.«
    Bastian gab ihr einen Kuß auf den Hutrand, denn
es wurde Zeit, zum Krankenhaus zu fahren und Kathinka abzuholen. »Warum soll
denn der Strom ausfallen?« fragte sie hinter ihm her.
    »Zum Beispiel bei einem Streik.«
    Sie schaute ihn ungläubig an. »In München?«
    »Servus, Omi. Wir sehen uns ja übermorgen.«
    »Ach so, ja. Übermorgen!« Sie tat so, als ob sie
ihren Geburtstag ganz vergessen hätte, dabei dachte sie seit Tagen an nichts
anderes.
    »Wie viele hast du eingeladen? Alle Meschpoche,
alle Hausbewohner, die Straße, das Zugabteil, in dem du neulich gefahren bist,
und die gynäkologische Station?«
    »Nicht einen, Bub. Nicht einen einzigen. Ich
möcht’ einmal sehen, wie viele von selbst dran denken werden.«
    Bastian schaute sie voll Liebe an und dachte,
ach du Güte. Ach du liebe Güte!
     
     
    Susi wußte, wo Karl Guthmann privat wohnte.
Schließlich hatte sie schon Müll in seinen Garten befördert.
    Er selbst war ihr nur aus Erzählungen bekannt.
    Großmutter sprach selten von ihm, und wenn, dann
von seiner Tüchtigkeit — - er war der reiche Mann in der Familie. Ihn erwähnte
sie, wenn sie den Eindruck hatte, andern Leuten imponieren zu müssen. Sonst
sprach sie vor allem von ihm im Zusammenhang mit ihrem Oberstück.
    »Er hat’s mir umsonst gemacht, aber glauben Sie,
er hätte Porzellan genommen? So nobel war er nun wieder nicht.« Bastian nannte
seinen Bruder »Klappzahn« und mochte ihn nicht besonders. Was auf
Gegenseitigkeit beruhte. Sie waren zu verschieden.
    Da Bastian für Susi gleich hinterm lieben Gott
kam (allerdings nicht im heiligen Sinne, in dem nicht), war sie sicher, daß ihr
Karl Guthmann auch nicht gefallen würde.
     
    Äußerlich gefiel er ihr schon. Er machte mehr
her als Bastian. Und er war sehr liebenswürdig.
    »Vielen Dank, daß Sie mich an Großmamas
Geburtstag erinnern. Ich hätte ihn glatt vergessen.« Er notierte sofort

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