Der Bastian
und als ob ihm die Liebenswürdigkeit
in den Kiemen weh tat. Alle Anwesenden spürten es, nur Martha Guthmann nicht.
Sehr sicher und anmutig saß sie da. Und sehr
interessiert, wie es weitergehen würde.
Ob sie einen Obstler haben könnte? Whisky kenne
sie nicht. Der Manager goß ihr einen Slibowitz ein.
»Also, liebe Frau Guthmann«, hob der Reporter
an, der sie herbegleitet hatte. »Es wäre nett, wenn Sie Herrn Blanc ein paar
Fragen stellten. Fragen Sie frisch von der Leber weg. Nur keine Hemmungen.«
»Ich habe keine«, sagte sie mit Würde.
»Na, das ist ja prima, Frau Guthmann«, rief er
bestürzend munter, »hervorragend. Also, Frau Guthmann?«
Großmutter überlegte einen Augenblick, dann
wandte sie sich an Ferry Blanc, der ihr lächelnd gegenübersaß.
Er hatte ein gefälliges Gesicht und schöne brünette
Wellen um den Kopf. Sein Hemd stand bis zum Gürtel offen. Zwischen seinem
Brusthaar lag ein goldenes Amulett, von einem Kettchen gehalten. Sagen sagte er
nichts. Aber sein Blick, dieser »Auch-du-bist-ein-Mensch-Blick«, hüllte sie
ganz ein.
»Sie sind Deutscher, junger Mann?«
Ferry schaute fragend zu seinem Manager auf.
Sein Manager sagte: »Herr Blanc ist aus Wuppertal. Warum?«
»Wegen seinem ausländischen Namen. Und dann
singt er so gebrochen deutsch. Ich hör’ ihn ja immer im Radio.« Reporter und
Manager wechselten einen Blick.
»Bitte die nächste Frage, Frau Guthmann.«
»Singen Sie gern den Blödsinn, den Sie manchmal
singen?«
Der Manager fragte mit kaum zu zügelnder
Gereiztheit: »Gefallen Ihnen unsere Texte nicht?«
»Nein. Etwa Ihnen?«
(Gräßlicher Kerl, dachte sie. So einer, der mit
Vollgas auf Katzen hält, wenn sie über die Straße huschen, und sich freut, wenn
er sie erwischt.)
»Ich denke, wir kommen zur nächsten Frage«,
sagte er zum Reporter.
»Was heißt nächste«, sagte Martha. »Herr Blanc
hat diese ja noch gar nicht beantwortet.«
»Darauf kommt es nicht so sehr an.«
»Wieso soll ich dann fragen, wenn es nicht drauf
ankommt?«
»Das mach’ ich nachher schon«, versicherte der
Reporter. Großmutter sah ihn erstaunt an. »Sie?«
»Unsere Zeit ist begrenzt, gnä’ Frau«, sagte der
Manager. »Herr Blanc hat heute abend ein Konzert. Bitte Ihre nächste Frage.«
Martha Guthmann überlegte. Was sollte sie denn
die beiden noch fragen, die wie ein Bauchredner (Manager) mit seiner Puppe
(Ferry) vor ihr saßen? Eine Antwort kriegte sie eh nicht. Aber dann fiel ihr
noch was ein.
»Sie verdienen sicher jetzt viel Geld, Herr
Blanc. Haben Sie das auch krisensicher angelegt? Ich meine, haben Sie an die
Zeit gedacht, wo Sie keiner mehr hören will?«
»Ja, hat er«, drängelte der Manager.
»Dann ist es ja gut«, sagte Martha Guthmann
beruhigt. »Der Sohn von meiner Nachbarin nämlich war Tänzer im Opernballett.
Und eines Tages war er vierzig und hatte es mit dem Knie. Und kein Gespartes.
Da wollte ihn keiner mehr. Was nun?!« Sie schaute bedeutungsvoll um sich. »Er
hatte nichts anderes gelernt als tanzen. Privat ging auch was Langjähriges in
die Brüche — wenn’s mal kommt, kommt es ja immer ganz dick. Na, jedenfalls,
jetzt ist er Ausfahrer in einer Wurstfabrik. Nichts gegen Wurst. Aber glücklich
ist er dabei nicht. Ihm fehlt die Bühne. Er hat noch immer den Applaus im Ohr,
sagt meine Nachbarin. Sie macht sich Sorgen um ihn.«
Ferry Blanc spielte mit seinem Kettchen. Manager
und Reporter wechselten einen Blick.
Reporter zum Fotografen: »Jetzt machen wir noch
ein Foto von beiden zusammen. Herr Blanc, wenn Sie sich bitte mit Frau Guthmann
zum Kamin — ja, so — der Mottenfiffi muß auch mit rauf.« Er drückte ihr das
Stofftier in den Arm.
»Und nun noch eine letzte Frage, Frau Guthmann,
eine allerletzte: Ist Ferry Blanc zufällig Ihr Lieblingssänger?«
Die Beantwortung dieser Frage brachte Großmutter
in Schwierigkeiten. Sie wollte nicht unhöflich sein, aber auch nicht lügen. Sie
sagte, das Stofftier kraulend: »Er singt ja schön. Sonst hätt’ er nicht solchen
Erfolg, nicht wahr? Aber mein Lieblingssänger — das war der Hans Moser.«
Ferry Blanc betrachtete irritiert seine Ringe.
Sein Manager hielt sich den Magen, drehte sich auf einem Bein und sagte dabei:
»Vater!«
Der Fotograf packte seine Kamera ein und
griente. Nur der Fotograf.
Großmutter erhielt ihre Handtasche, Handschuhe
und zusätzlich noch eine Langspielplatte in den Arm gedrückt, in dem schon der
Teddy war, und wurde mit der gleichen Geste dem Gartentor
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