Der Bedrohung so nah (German Edition)
Jemand aus ihrer Vergangenheit? Ein Bekannter? Ein Verrückter? Oder steckte noch etwas viel Unheilvolleres dahinter?
Er sah zu ihr hinunter, und wieder überkam ihn eine Welle des Mitgefühls. Sie würde nicht weinen. Nicht jetzt. Nicht Erin McNeal, die Polizistin. Doch das änderte nichts daran, dass sie immer noch sehr verletzlich aussah. Und blass. Sie zitterte. Doch nicht für eine Sekunde machte sie den Eindruck, sie sei verängstigt. Sein Respekt für sie, der ohnehin schon ziemlich groß war, wuchs fast ins Unermessliche.
„Sie machen das großartig, Erin.“
„Hey, das war nur ein kleiner Unfall. Keine große Sache“, sagte sie mit etwas zu viel Nachdruck.
Nick seufzte und machte sich gar nicht erst die Mühe, sie darauf hinzuweisen, dass der „kleine Unfall“, wie sie es nannte, sie beinah das Leben gekostet hatte.
„Der Arzt wird mich doch nicht hierbehalten, oder?“
„Haben Sie etwa etwas gegen Krankenhäuser, McNeal?“
„Nur wenn ich drin bin. Könnten Sie mich vielleicht jetzt nach Hause fahren?“, fragte sie. „Sonst ziehe ich meine Waffe und schieße um mich, sollte es auch nur ein Arzt wagen, mich nochmal mit einer Nadel zu stechen“, versuchte sie zu scherzen.
Er zwang sich zu einem Lachen, während er sich fragte, woran es wohl lag, dass ihr weder vom Schock noch von den Medikamenten etwas anzumerken war. „Ich bringe Sie nach Hause“, sagte er. „Dort können wir weiterreden.“
Trotz der Medikamente, die sie eingenommen hatte, schmerzte jeder einzelne Muskel ihres Körpers ganz gewaltig, als sie ihre Wohnung erreichten.
Nick öffnete ihr die Tür, dann zeigte er aufs Sofa. „Setzen Sie sich“, sagte er. „Ich hole Ihnen eine Decke, danach mache ich uns einen Kaffee.“
Ohne Widerrede humpelte sie zum Sofa und ließ sich gegen eines der Kissen sinken. Ein weiteres hielt sie vor der Brust umklammert. Sie zog die Beine an und versuchte, nicht daran zu denken, was für ein Glück sie gehabt hatte. Sie hätte sich ernsthaft verletzen können – oder sogar Schlimmeres.
Der Vorfall hatte sie nicht nur körperlich mitgenommen, sondern auch ihr Selbstvertrauen hatte einen herben Schlag abbekommen. In den Lauf einer Schrotflinte zu blicken hatte ihr nicht gerade gutgetan. Sie mochte es nicht, sich so hilflos zu fühlen. Und noch viel weniger mochte sie es, wenn man sie bedrohte.
Sie hörte Nick in der Küche mit dem Geschirr hantieren und seufzte. Auch wenn sie es nur ungern zugab, war sie froh, dass er da war. Er war für sie wie ein Fels in der Brandung einer unruhigen See voller Emotionen und viel zu wenig Fakten. Eine Kombination, auf die sie in ihrer momentanen Verfassung gut hätte verzichten können.
Vom Sofa aus sah sie zu, wie Nick von der Küche ins Schlafzimmer ging. Sie gab sich Mühe, es zu ignorieren, doch sie konnte nicht umhin, die kontrollierte Geschmeidigkeit seiner Bewegungen zu bemerken, ebenso wie die unterschwellige Ruhelosigkeit, die ihn wie eine dunkle Aura umgab. Er machte einen nachdenklichen Eindruck. Irgendwie nervös, beunruhigt. Erin fragte sich, ob das mit seinem Verhalten an der Unfallstelle zusammenhing. Eigentlich war Nick nicht der Typ Mann, der sich von einem Autounfall aus der Ruhe bringen ließ. Gerne hätte sie daran geglaubt, dass es die Sorge um sie gewesen war, die ihn so aus der Bahn geworfen hatte. Doch ihr Verstand wusste es besser. Er hatte an Rita gedacht. Erin wusste aus eigener Erfahrung, wie Trauer aussah, und es war offensichtlich, dass er ihren Tod noch immer nicht überwunden hatte.
Einen Augenblick später war er mit einer Decke zurück und legte sie über sie. „Ist Ihr Kopf klar genug, dass Sie ein paar Fragen beantworten können?“, fragte er. „Es wird ein paar Minuten dauern, bis der Kaffee fertig ist.“
Sie nickte. Es wäre töricht zu glauben, dass sie es noch länger hinausschieben konnte. Außerdem war sie ein Cop. Jemand hatte versucht, sie umzubringen, und sie musste etwas dagegen unternehmen.
„Erzählen Sie mir alles.“ Er ließ sich auf den Zweisitzer ihr gegenüber fallen. Erwartungsvoll sah er sie an. „Details. Beschreibungen. Mögliche Motive.“
Erin berichtete von dem schwarzen Lincoln, dem Beifahrer mit der Schrotflinte und davon, wie ihr Streifenwagen von der Straße abgedrängt worden war. Nick hörte aufmerksam zu und machte sich hin und wieder Notizen auf einem Block. Seine dunklen Augen waren wachsam, sein Blick war rasiermesserscharf.
Als sie fertig war, holte er den Kaffee aus der
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