Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
könnte.
Sie lag da und starrte auf die Tür, die sich hinter Cal geschlossen hatte. Der Gedanke, dass sie Roan Schwierigkeiten machen könnte, beunruhigte sie irgendwie. Es war so leicht gewesen, sich einfach treiben zu lassen, während er sich um sie und ihre Angelegenheiten kümmerte. Das war etwas, das sie gut konnte, denn schließlich ging sie schon seit Jahren den Weg des geringsten Widerstands.
Pflichtbewusste Stieftochter und Gastgeberin, oberflächliches Partygirl, kosmopolitisches Töchterchen aus reichem Hause; sie konnte sich in drei Sprachen fließend unterhalten und mit den angesehensten ihrer Gäste alberne Luftküsse austauschen. Sie täuschte alle einschließlich sich selbst, indem sie sich und den anderen einzureden versuchte, dass die Masken, die sie trug, ihre wirkliche Persönlichkeit waren. Obwohl sie immer eine gewisse innere Leere verspürt hatte, eine, von der sie gehofft hatte, dass sie sie mit einem Ehemann und Kindern füllen konnte.
Harrell hatte genau den richtigen Zeitpunkt gewählt, um in ihr Leben zu treten. Wenn er es darauf anlegte, konnte er sehr charmant sein. Außerdem war er Geschäftsmann genug, um die Fantasie seiner Gesprächspartner anzuregen und das jeweilige Produkt, das er an den Mann oder die Frau bringen wollte, dazu passend erscheinen zu lassen. Bei ihr war es das Produkt „potenzieller Ehemann" gewesen.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sie dahinter gekommen war, dass ihm bei Geschmacksfragen in Wirklichkeit die vornehme Zurückhaltung des alten Geldadels ganz und gar fehlte und er stattdessen feuerrote Ferraris, aufdringlich wirkenden Goldschmuck und Neongeglitzer bevorzugte. Wenn sie sich nicht so viel Mühe gegeben hätte, kein Snob zu sein, hätte sie ihn vielleicht damals schon fallen lassen. Aber so hatte sie immer noch gehofft, ihn ändern zu können. Sie hätte es besser wissen müssen und hätte es wahrscheinlich auch besser ge- wusst, wenn sie sich nur die Werbespots angesehen hätte, mit denen er für sein Unternehmen warb. Dort sah man den Billigmöbelkönig von Südflorida, wie er sich selbst nannte, mit einer juwelengeschmückten Krone auf dem Kopf und einer kurvenreichen Königin auf dem Schoß, von einem der Sessel aus, die er in seinem Programm hatte, sein Imperium regieren. Typisch.
Wo mochte Harreil jetzt sein? Wahrscheinlich mit ihrem Stiefvater auf dem The Sanctuary beim Golfspielen und anschließend bei'The Dunes beim Bierspielen, wo der Gewinner die nächste Runde Importbier bezahlen musste. Er würde die Fragen ihres Stiefvaters bezüglich ihrer Abwesenheit mit einer lässig hingeworfenen Bemerkung abtun. Lampenfieber wegen der Hochzeit, würde er wahrscheinlich mit einem Schulterzucken sagen. Dass die bevorstehende Hochzeit für sie zu viel sei, so dass sie überstürzt weggefahren sei, um eine ihrer Freundinnen zu besuchen. Und dass sie in ein oder zwei Wochen, wenn sie sich etwas beruhigt hätte, schon wiederkommen würde.
Paul Vandergraff würde vollkommen verstehen. Die Angewohnheit wegzulaufen hatte Tory angenommen, kurz nachdem er ihr Stiefvater geworden war. Sie hatte beobachtet, wie er ihre Mutter mit kalter Missbilligung und leichtem Zugang zu verschreibungspflichtigen Beruhigungsmitteln manipuliert hatte, bis der einzige Ausweg ein teures Pflegeheim gewesen war. Anschließend hatte er Tory eingeredet, dass ihre für einen Teenager normalen Stimmungsschwankungen leicht als Anzeichen für psychische Labilität gedeutet werden könnten. Flucht war stets einfacher gewesen, als einer Konfrontation standzuhalten. Kein Wunder, dass sie Harrell gegenüber dasselbe Verhaltensmuster an den Tag legte.
Obwohl Harrell wahrscheinlich nicht so ruhig war, falls Zits und Big Ears bereits den Mut aufgebracht hatten, ihm zu berichten, was passiert war. Vielleicht fragte er sich schon, warum ihm die Polizei von Florida bis jetzt noch keinen Besuch abgestattet hatte. Wie lange mochte es dauern, bis er entdeckte, dass sie nicht geredet hatte, und was würde er dann wohl tun?
Einen kurzen Moment war Tory stark in Versuchung, Roan reinen Wein einzuschenken, damit er wusste, worauf er sich einließ. Es war weder fair noch klug, ihn im Unklaren zu lassen. Aber nein, dieses Risiko konnte sie nicht eingehen. Sobald er erfuhr, wer sie war, würde er versuchen, sie loszuwerden. Und das war das Letzte, was sie wollte.
„Gott, Honey, Sie sehen ja aus, als würde man Sie zur Hinrichtung bringen statt raus nach Dog Trot."
Tory zwang sich zu einem
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