Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
Vorratsraum und ein Speisezimmer. Durch einen Vorraum gelangten sie schließlich in einen Gemeinschaftsraum. Dort war in den mit einem Mosaik ausgelegten Fußboden ein kleines Steinbecken eingelassen, in dem eine Wasserfontäne sprudelte, und auf dem Bakhora-Teppich standen ausladende Polstermöbel. Der alte Mann verbeugte sich und bat die Gäste mit einer Handbewegung sich zu setzen, dann zog er sich zurück.
Wade interessierte sich nicht sonderlich für die Einrichtung, sondern sah Chloe mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Wir warten", beantwortete sie seine unausgesprochene Frage.
„Worauf?"
„Auf das, was kommt. Geduld ist eine islamische Tugend, die du schon längst verinnerlicht hättest, wenn du hier leben würdest."
Er bezweifelte das, äußerte sich aber nicht dazu, da er ihrer Stimme anhören konnte, wie sehr sie nervlich und körperlich erschöpft war. Es überraschte ihn nicht, dass sie zu einem Sofa ging und sich in die Polster fallen ließ.
„Setz dich hin", sagte sie. „Bitte. Bevor du umfällst."
Er ließ sich auf der Kante des Sofas nieder. Die Versuchung war groß, sich in das weiche kastanienbraune Leder sinken zu lassen, doch er wollte es sich hier gar nicht erst zu gemütlich machen, weil es möglich war, dass er von einer Sekunde auf die andere wieder aufbrechen musste.
Die Minuten verstrichen. Das Plätschern des kleinen Springbrunnens hatte etwas Beruhigendes, doch es diente in erster Linie dem Zweck, Geräusche zu überdecken. Wade meinte, aus dem Nebenzimmer das Ticken einer großen Uhr und aus weiterer Ferne Stimmen zu hören, vielleicht aus dem Flur, durch den der Wachmann weggegangen war. Er wäre wachsamer gewesen, doch die Stimme, die die anderen übertönte, war die einer Frau.
Dann hörte er, wie das Geräusch von Sandalen auf Kachelboden näher kam. Eine Frau trat aus dem schwach beleuchteten Hintergrund des Raumes heraus. Sie war rundlich und trug einen Kaftan aus einem seidigen Stoff in den Farben Purpur und Grün, dazu eine Fülle klimpernden Silberschmucks. Dies und ihr langes grau meliertes Haar ließen sie wie eine exotische Zauberin aussehen.
„Verzeiht mir, dass ich euch habe warten lassen. Aber keine Angst. Ich habe Vorbereitungen getroffen und Anweisungen gegeben. Es ist alles im Griff."
„Anweisungen wofür?" fragte Wade und stand langsam auf. Seine Knie waren zwar weich wie Butter, doch sie gaben ihm immer noch genug Halt.
„Für eure Behandlung, großer Mann", antwortete die Frau mit einem Lächeln.
„Und Sie sind ...?"
Chloe stand vom Sofa auf, stellte sich zu Wade, als wolle sie ihn daran hindern, irgendeine Dummheit zu begehen, und beantwortete seine Frage: „Dies ist Ayla, eine Freundin. Sie ist eine Witwe."
„Ja, so etwas kommt vor, wenn zwanzig Millionen Männer in zwanzig Jahren getötet werden. Aber ich beklage mich nicht. Der Krieg ist eine schreckliche Sache, doch gelegentlich kommt auch etwas Gutes dabei heraus."
Wade warf Chloe einen Blick zu, da er das Gefühl hatte, Ayla vermisse ihren Ehemann nicht sonderlich.
Sie nickte, als sei ihr sehr daran gelegen, dass er verstand und kooperierte. „Ayla stellt ihr Heim unter anderem für Schulstunden zur Verfügung. Am besten weißt du darüber so wenig wie möglich."
Wade fragte sich, ob sie wirklich glaubte, er würde etwas über die Aktivitäten der Witwe verraten, falls man ihn festnehmen sollte. Sie hatte keine Ahnung, wie unwahrscheinlich das war.
„Sind wir dann so weit?" fragte Ayla ihn, als er nichts erwiderte. Sie deutete auf den Flur und machte einen Schritt nach hinten. „Hier entlang."
Chloe stellte sich zu Ayla. Wade dagegen rührte sich nicht vom Fleck und sah perplex von der einen Frau zur anderen, als warte er darauf, dass jemand vorausging.
„Bitte", sagte die Gastgeberin und zeigte erneut auf den dunklen Korridor.
Der Gedanke schoss ihm durch den Kopf, dass irgendwo außer Sichtweite eine Falle auf sie lauerte; er verwarf die Idee dann jedoch als lächerlich. „Gut", erwiderte er und machte eine Geste, dass die Frauen vorgehen sollten. „Wie Sie meinen."
„Der Weg führt durch die zweite Tür links."
Er nickte. „Nach Ihnen."
„Nein, nein, Wade Shah, nach Ihnen."
Der respektvolle Titel, der in etwa dem des „Sir" entsprach, war übertrieben, doch er brachte ihn darauf, wo das Problem lag. Er gab zurück: „Ladies first. So habe ich es gelernt."
„Sie sind sehr freundlich, aber ich muss darauf bestehen."
„Ich auch." Wade verschränkte die Arme
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