Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
Sonntagabend“, antwortete er. „Dann müssen sie wieder los, weil sie dieses Jahr in der Sommerschule sind.“
„Sommerschule?“, wiederholte Hutch ungläubig. „Lieber Himmel, Boone, das ist ja wirklich hart für die beiden. Der Sommer ist dafür da, dass man seinen Spaß hat, dass man schwimmen geht, dass man Baseball spielt oder den ganzen Tag lang reitet. Aber doch nicht, um die Nase in irgendwelche Schulbücher zu stecken. Wie alt sind deine zwei noch gleich? Sechs und sieben?“
„Vielen Dank für Ihr umfassendes Fachwissen, Professor Carmody“, gab Boone spöttisch zurück und warf Hutch dabei einen mürrischen Blick zu. „Wenn ich ein paar Cowboys großziehen wollte, wäre das wohl genau der richtige Weg. Nur hab ich das nicht vor.“
„Was ist verkehrt daran, ein Cowboy zu sein?“, wollte Slade wissen, der schließlich selbst einer war.
„Wenn du Griff und Fletch tatsächlich großziehen wolltest“, konterte Hutch und beugte sich vor, um Boone zu zeigen, dass ihn weder der Tonfall noch die Dienstmarke seines Gegenübers beeindruckten, „dann würden sie bei dir leben, so wie es auch richtig wäre.“
Boone bekam einen knallroten Kopf. „Meinungen sind so wie Arschlöcher“, fauchte er Hutch an. „Jeder Mensch besitzt beides.“
Hutch griff nach seiner Kaffeetasse und hob sie wie zu einem spöttischen Toast hoch. „Was für ein Glück, Boone, dass du aufs College gegangen bist. Du hättest bestimmt nicht so viel Ahnung von menschlicher Anatomie, wenn du nur ein … was sollen wir sagen? … wenn du nur ein Cowboy wärst.“
Während die beiden sich gegenseitig angifteten, musste Slade schmunzeln. Insgesamt war er nicht für langwierige Unterhaltungen zu haben. Er hatte sich geäußert, was Shea und den Wasserturm anging, und damit war für ihn das Gespräch erst mal abgehakt.
Wutschnaubend beugte sich Boone vor und gab zischend zurück: „Verrat mir doch mal, warum jeder hier im County sich herausnimmt, mir zu sagen, was für meine Kinder am besten ist!“
Slade und Hutch sahen sich an, aber bevor einer von ihnen etwas erwidern konnte, ergriff Essie das Wort, die an den Tisch gekommen war, um die Kaffeetassen nachzufüllen.
„Vielleicht liegt das ja daran, dass Sie selbst bei dem Thema offenbar keine Ahnung haben, Boone Taylor. Diese Jungs brauchen ihren Daddy, weiter nichts!“
Auf dem Weg zum Gemeindezentrum fuhr Kendra mit Madison und Daisy am Festplatz vorbei. Ihre Tochter war kaum noch zu halten, so sehr freute sie sich, dass die Kirmes aufgebaut wurde. Banner flatterten im leichten warmen Wind, ein Riesenrad ragte hoch in den Himmel auf. Vor dem Karussell warteten Pferde, Giraffen, Elefanten und Schwäne darauf, ihren Platz einzunehmen, während Männer in Arbeitskleidung die großen Figuren montierten. Lastwagen und kleinere Transporter parkten kreuz und quer vor der großen Halle, in der Händler ihre Waren und Dienstleistungen vorführen und anbieten würden. Das Wochenende rund um den 4. Juli bedeutete für praktisch jedes Geschäft in der Stadt beträchtliche Einnahmen, und es rückte schnell näher.
„Guck mal, Mommy!“, rief Madison, als hätte Kendra tatsächlich das farbenfrohe Spektakel übersehen können, das auf dem großen Festplatz rasch Gestalt annahm. „Da ist ein Zirkus!“
Kendra lächelte. „Das ist die Kirmes. Und am Samstag gehen wir da hin, das weißt du doch noch.“
„Können wir nicht jetzt schon hingehen? Nur mal zum Gucken?“
„Nein, Schatz“, erwiderte sie und setzte den Blinker, da sie in die Straße einbiegen musste, die zum Gemeindezentrum führte. „Jetzt ist erst mal Zeit für die Vorschule, und außerdem ist da drüben noch gar nichts geöffnet.“
„Wann machen die denn auf?“
„Erst am Freitagnachmittag, also in zwei Tagen. Und bis Samstag sind es deshalb noch drei Tage, wenn wir zum Rodeo und auf die Kirmes gehen und uns das Feuerwerk ansehen.“
„Mr Hutch will beim Rodeo auf einem Bullen reiten“, sagte Madison, die bereit war, zum nächsten Thema zu wechseln. „Und wir gucken ihm zu.“
Kendra musste schlucken, da sie nicht wusste, was ihr mehr Angst machte: die Aussicht darauf, dass Hutch wieder all ihre inneren Barrieren überwinden würde, oder die Vorstellung, dass er auf einem wilden Bullen reiten wollte, der ihn tottrampeln konnte.
Und wofür das Ganze? Für eine glänzende Gürtelschnalle und ein Preisgeld, das vermutlich nicht mehr als die Hälfte von dem betrug, was er in seiner Geldbörse mit sich
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